Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)
fünf Meter über dem Boden des Gebäudes auf Ziegelpfeilern. Die Maschinerie bewegt zwei große Eisenwalzen von jeweils einem Meter Durchmesser und über zwei Metern Länge. Sie arbeiten oberhalb der Ziegelpfeiler und laufen aufeinander zu. Eine Art Fließband aus Ketten und Holz, ähnlich den ledernen Bändern in kleinen Mühlen, läuft vom Hauptgebäude heraus in die offene Scheune. Die Karren, auf denen das Zuckerrohr vom Feld gebracht wird, werden auf einer Seite der Scheune entladen. Auf ganzer Länge des Bandes sind Sklavenkinder verteilt, die das Rohr auf das Band werfen. Dann fährt es durch die Scheune ins Hauptgebäude, wo es unter den Walzen zerdrückt wird. Von dort fällt es auf ein anderes Band, das in die entgegengesetzte Richtung läuft. Dieses führt das Rohr der Verbrennung in einem Kamin zu, unter dem ein Feuer brennt. Es ist notwendig, dass man auf diese Weise verfährt, denn sonst würde das Rohr bald die gesamte Scheune ausfüllen, sauer werden und Krankheiten hervorrufen. Der Saft des Zuckers läuft in einen Ableiter unterhalb der Walzen und wird einem Behälter zugeführt. Von dort bringen Leitungen den Saft zu fünf Filteranlagen, von denen jede viele hundert Liter fasst. Die Filteranlagen sind mit Spodium gefüllt, einer Substanz, die aussieht wie Brennstaub. Sie wird aus Knochen gewonnen, die in nahegelegenen Behältern kalziniert werden, und dafür benutzt, den Zuckersaft durch Filtrierung vor dem Kochen zu entfärben. Der Saft durchläuft alle fünf Filteranlagen und dann in einen riesigen Behälter unter dem Boden. Von dort wird er mit Hilfe einer Dampfpumpe in Klärfässer aus Eisenblech verfrachtet und dort mit Dampf zum Kochen gebracht. Vom ersten Klärfass wird er mittels Leitungen zum zweiten und dann zum dritten befördert und landet dann in geschlossenen Eisenwannen, durch die mit Dampf gefüllte Leitungen verlaufen. In kochendem Zustand fließt er durch drei aufeinanderfolgende Wannen und wird schließlich durch andere Leitungen in unterirdische Kühler gepumpt. Diese Kühler sind hölzerne Kisten mit Siebböden aus bestem Draht. Sobald der Sirup in die Kühler läuft und Luft bekommt, beginnt er zu körnen und fällt durch das Sieb in eine Zisterne. Der Zucker ist nun von bester Qualität – klar, rein und weiß wie Schnee. Nach der Abkühlung kann man ihn herausnehmen, in Fässer füllen und auf dem Markt verkaufen. Die Melasse selbst wird wieder nach oben gepumpt und mit einem weiteren Arbeitsgang in braunen Zucker verwandelt.
Es gibt größere Mühlen und auch welche, die anders gebaut sind als die gerade von mir flüchtig beschriebene. Aber diese hier ist eine der besten am gesamten Bayou Boeuf. Lambert aus New Orleans ist ein Partner von Hawkins. Mir wurde gesagt, dass er sehr reich sei und Anteile an über vierzig verschiedenen Zuckerplantagen in Louisiana hält.
Die einzige Atempause, die einem Sklaven während des Jahresverlaufs gegönnt wird, ist die Weihnachtszeit. Epps gewährte uns drei freie Tage, andere gaben vier, fünf oder gar sechs, je nachdem wie großzügig sie waren. Es ist die einzige Zeit, auf die man sich wirklich freuen konnte. Man war froh, wenn die Nacht anbrach – nicht nur, weil man Erholung fand, sondern auch weil sie die Zeit bis Weihnachten erneut verkürzte. Das Fest wird gleichermaßen von den Alten wie den Jungen in Ehren gehalten; sogar Onkel Abram hörte damit auf, General Jackson zu verherrlichen und Patsey vergaß ihren Kummer in der allgemeinen Heiterkeit der Festtage. Es ist die Zeit des Feierns, Frohlockens und des Geigenspiels – es ist die Karnevalszeit der geknechteten Kinder. Es gibt nur wenige Tage, an denen man ihnen etwas eingeschränkte Freiheit gewährte, und diese genossen sie in vollen Zügen.
Es ist Brauch im Bayou, dass immer ein Pflanzer ein Weihnachtsessen ausrichtet und die Leibeigenen der Nachbarplantagen dazu einlädt, den seinen Gesellschaft zu leisten; ein Jahr wird es, zum Beispiel, von Epps ausgerichtet, im nächsten Jahr von Hawkins, dann von Marshall, etc. Üblicherweise sind dann drei- bis fünfhundert Neger versammelt, die zu Fuß, auf Karren, hoch zu Ross oder auf Maultieren, zu zweit und zu dritt, Junge und Mädchen, ein Mädchen mit zwei Jungs oder ein Junge, ein Mädchen und eine alte Frau, zueinanderfinden. Onkel Abram mit Tante Phebe und Patsey gemeinsam auf einem Maultier wäre am Bayou Boeuf kein außergewöhnlicher Anblick gewesen.
Zur Weihnachtszeit zieht man sich natürlich
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