Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)
Himmelsrichtungen ausströmen, die glücklichsten Erdenbürger, die man zu dieser Zeit finden wird. Sie sind schlicht andere Menschen als auf dem Feld; die kurze Entspannung und die temporäre Erlösung von der Angst und der Peitsche lösen eine vollständige Verwandlung ihres Benehmens und ihres Auftretens aus. Die Zeit vergeht, indem man Besuche abstattet, reitet, alte Freundschaften auffrischt oder eine Liaison wiederaufleben lässt – oder einfach das tut, zu was man gerade Lust verspürt. So ist das "wahre Leben im Süden" an drei Tagen im Jahr - während die anderen 362 Tage von Erschöpfung, Angst, Leiden und unbarmherziger Arbeit erfüllt sind.
Oft finden während der Feiertage auch eine oder mehrere Hochzeiten statt, wenn man diese Institution unter Sklaven überhaupt so nennen darf. Die einzige Zeremonie, die erforderlich ist, um in diesen "heiligen Stand" einzutreten, ist die Erlaubnis der Eigentümer. Üblicherweise wird die Heirat von den Herren weiblicher Sklaven unterstützt. Jeder Partner darf so viele Frauen oder Ehemänner haben, wie es der Besitzer zulässt, und jeder darf den anderen auch wieder verlassen, wie und wann er es wünscht. Die Gesetze bezüglich Scheidung oder Bigamie gelten natürlich nicht für Besitztümer. Wenn die Frau nicht auf derselben Plantage lebt wie der Ehemann, darf dieser sie Samstagabends besuchen, wenn die Entfernung nicht zu groß ist. Die Frau von Onkel Abram lebte sieben Meilen entfernt am Bayou Huff Power. Er hatte die Erlaubnis, sie alle vierzehn Tage zu besuchen. Wie ich schon erzählt habe, ist er aber alt geworden und hatte sie, ehrlich gesagt, schon fast vergessen. Onkel Abram hatte keine Zeit, außer für seine Reden über General Jackson – eheliche Pflichten waren etwas für die Jungen und Gedankenlosen, die niemals so ein grandioser und feierlicher Philosoph werden würden wie er selbst.
Kapitel 16
Mit Ausnahme meiner Reise in die Pfarrei St. Mary's und meiner Abwesenheit während der Zuckersaison war ich ständig auf der Plantage von Master Epps beschäftigt. Er wurde eher als kleiner Pflanzer angesehen und hatte so wenig Sklaven, dass er keinen Aufseher benötigte – diese Aufgabe erfüllte er gleich selbst. Da er seine Mannschaft nicht mit Käufen vergrößern konnte, lieh er sich Kräfte für die Hochzeit der Baumwollernte.
Auf größeren Plantagen mit fünfzig, hundert oder gar zweihundert Sklaven war ein Aufseher unabdingbar. Diese Gentlemen reiten - mit einer mir bekannten Ausnahme - auf das Feld, sind mit Pistolen, Bowiemesser und Peitsche bewaffnet und werden von mehreren Hunden begleitet. Sie reiten hinter den Sklaven her und haben sie stets im Auge. Die besten Qualifikationen für einen Aufseher sind absolute Herzlosigkeit, Brutalität und Grausamkeit. Seine Aufgabe ist die Einbringung großer Ernten, und dies muss er erreichen, egal wie viel Leiden es kosten mag. Die Anwesenheit der Hunde ist notwendig, um flüchtende Sklaven einholen zu können. Ein Fluchtversuch findet meistens dann statt, wenn ein Erntehelfer so schwach oder krank ist, dass er seine Reihe nicht halten kann oder die Peitsche nicht aushält. Die Pistolen waren ernsthaften Zwischenfällen vorbehalten, welche es durchaus schon gegeben hat. Manchmal wendet sich selbst ein Sklave gegen seinen Unterdrücker, wenn er lange genug gereizt wird und die Wut die Oberhand gewinnt. Die Galgen standen in Marksville und letzten Januar wurde dort ein Sklave exekutiert, der seinen Aufseher getötet hatte. Das war nur ein paar Meilen von Epps' Plantage passiert. Im Verlauf des Tages hatte ihm der Aufseher einen Botengang aufgetragen, der so viel Zeit benötigte, dass er seine sonstige Aufgabe nicht erfüllen konnte. Am nächsten Tag musste er sich rechtfertigen, aber die durch den Botengang verlorene Zeit wurde nicht als Entschuldigung akzeptiert und er sollte sich hinknien und seinen Rücken für die Peitsche entblößen. Sie waren allein im Wald, außerhalb jeder Hörweite oder Sicht. Der Junge ließ es geschehen, bis ihn die Wut über so viel Ungerechtigkeit überkam. Verrückt vor Schmerz sprang er auf, nahm eine Axt und schlug den Aufseher – wörtlich genommen – in Stücke. Er machte keinerlei Anstrengungen, die Tat zu vertuschen, sondern eilte zu seinem Herrn, erzählte den Vorgang und erklärte sich bereit, das Unrecht durch das Opfer seines eigenen Lebens zu tilgen. Er wurde zum Schafott geleitet und noch während der Strick um seinen Hals lag behielt er eine
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