Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)
dass er nach der Rückkehr auf seine Plantage noch weit mehr respektiert wurde als vorher – hatte er doch noch das Blut eines Mitmenschen an seinen Händen.
Epps interessierte sich sehr für seine Belange und begleitete ihn nach Marksville, wo er ihn bei jeder Gelegenheit laut rechtfertigte. All seine Anstrengungen haben allerdings hinterher einen Verwandten des besagten Marshall nicht daran gehindert, ihm seinen Tod anzudrohen. An einem Spieltisch gab es eine Auseinandersetzung der beiden, die in einer tödlichen Fehde endete. Eines Tages ritt Marshall, bewaffnet mit Pistolen und einem Bowiemesser, zu seinem Haus und forderte ihn auf, herauszukommen und den Streit endgültig zu beenden; andernfalls würde er ihn als Feigling bezeichnen und ihn bei der ersten Gelegenheit wie einen räudigen Hund erschießen. Meiner Meinung nach war es weder Feigheit, noch Gewissensbisse, die Epps an diesem Tag davon abhielten, diese Herausforderung anzunehmen. Es war der Einfluss seiner Frau. Hinterher gab es dann eine Aussöhnung und seit dieser Zeit sind die beiden wieder beste Freunde.
Solche Vorfälle, die in den Nordstaaten mit einer wohlverdienten und angemessenen Bestrafung der beteiligten Parteien enden würden, sind in den Bayous keine Seltenheit und werden normalerweise ohne jeden Kommentar hingenommen. Jeder Mann trägt ein Bowiemesser und sollte dieses mal nicht ausreichen, tritt und schlägt man nach dem anderen in der Art wie es eher wilde als zivilisierte Geschöpfe tun würden.
Die Existenz der Sklaverei in ihrer übelsten Form überlagert nach und nach die feinsinnigeren und humanen Gefühlszüge eines Menschen und macht ihn brutal. Wenn man jeden Tag sieht, wie Menschen leiden – die qualvollen Schreie der Sklaven hört – das Winseln unter der gnadenlosen Peitsche – von Hunden gebissen und gequält – der Tod ohne jede Fürsorge und das Begräbnis ohne Leichentuch oder Sarg – kann man es nicht anders erwarten, als dass sie verrohen und die Achtung vor menschlichem Leben verlieren. Es stimmt, dass es in der Pfarrei Avoyelles viele großherzige und gute Männer gibt – wie zum Beispiel William Ford – , die voller Mitleid auf die Pein eines Sklaven schauen; genau so, wie es überall auf der Welt gefühlvolle und mitfühlende Seelen gibt, die nicht teilnahmslos den Qualen eines von Gott mit Leben ausgestatteten Geschöpfs zusehen können. Es ist nicht der Fehler des Sklavenbesitzers, dass er grausam ist, vielmehr ist das System, das sein Leben bestimmt, dafür verantwortlich. Er kann sich den Einflüssen der Gewohnheiten und der Gesellschaft um ihn herum nicht entziehen. Ihm wird von Kindertagen an eingeimpft, dass der Stock auf den Rücken eines Sklaven gehört, und diese Einstellung kann er auch in seinen erwachsenen Jahren nicht ändern.
Es mag menschliche Herren geben, genauso wie es unmenschliche gibt; es mag gut gekleidete, gut genährte und glückliche Sklaven geben, genau wie in Lumpen gewandete, halb verhungerte und elende; die Organe und Institutionen, die solches Unrecht und Unmenschlichkeit, wie ich sie erlebt habe, dulden, sind barbarisch, ungerecht und grausam. Menschen mögen Romane über dieses niedrige Leben schreiben, wie es ist, oder wie es nicht ist – mögen mit eulenhafter Geduld die Seligkeit der geistig Armen ausführen – und aus ihren bequemen Sesseln heraus lange und oberflächlich über die Freuden eines Sklavenlebens sinnieren; aber lass sie mit dem Sklaven im Feld placken – mit ihm in der Hütte schlafen – mit ihm die Spreu des Getreides essen; lasst sie Zeuge werden, wie er gegeißelt, gejagt und auf ihm herum getrampelt wird – dann werden sie eine andere Geschichte erzählen. Lasst sie ins Herz eines armen Sklaven schauen – seine geheimsten Gedanken lesen – Gedanken, die er im Beisein des weißen Mannes nicht wagen würde auszusprechen; lasst sie neben ihm sitzen in den stillen Nachtstunden – mit ihm in echtem Vertrauen über "Leben, Freiheit und das Streben nach Glück" reden – sie werden herausfinden, dass neunundneunzig von hundert Sklaven intelligent genug sind, ihre Lage zu beurteilen und in ihrem Busen dieselbe Freiheitsliebe wohnt, wie in ihnen selbst.
Kapitel 15
Da ich immer noch nicht gelernt hatte, vernünftig Baumwolle zu pflücken, machte Epps es zur Gewohnheit, mich in der Zuckersaison auszuleihen. Er bekam für meine Dienste einen Dollar pro Tag und stellte mit diesem Geld meinen Platz auf der Baumwollplantage
Weitere Kostenlose Bücher