Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)
kannte, begann Patsey zu weinen. Ich flüsterte ihr zu, nicht hochzuschauen und weiterzuarbeiten, als ob sie ihn nicht bemerkt hätte. Aber anscheinend hatte er Verdacht geschöpft und schwankte schon bald wuterfüllt auf mich zu.
"Was hast du Pats gesagt?", wollte er wissen und fluchte noch dabei. Ich gab ihm eine ausweichende Antwort, was seinen Ärger nur noch größer werden ließ.
"Wie lange schon gehört dir diese Plantage, sag , du verdammter Nigger?", verhöhnte er mich und ergriff dabei mit einer Hand meinen Hemdkragen; die andere Hand hatte er in seiner Tasche. "Jetzt werde ich deine schwarze Kehle durchschneiden, das werde ich tun", sagte er und zog dabei das Messer aus seiner Tasche. Da er es mit einer Hand nicht öffnen konnte, musste er die Klinge zwischen seine Zähne nehmen. Ich sah, dass er es fast geschafft hatte und fühlte den Drang zu fliehen. In seinem unbesonnenen Zustand war das kein Spaß mehr, so viel war sicher. Mein Hemd war vorne offen und als ich mich schnell herumdrehte und von ihm weg sprang, während er es immer noch festhielt, rutschte es vollständig von meinem Körper. Nun war es kein Problem mehr, ihm auszuweichen. Er jagte mich, bis er außer Atem war, hielt an, um sich zu erholen, fluchte und begann die Hatz von vorne. Er befahl mir, zu ihm zu kommen, beschwatzte mich, aber ich war immer darauf bedacht, ihm nicht zu nahe zu kommen. So umrundeten wir das Feld einige Male. Er versuchte, mich anzuspringen, ich wich ihm aus, mehr amüsiert als verängstigt. Ich wusste zu gut, dass er in nüchternem Zustand über seine eigene Ungeschicklichkeit lachen würde. Nach einiger Zeit sah ich meine Herrin am Hofzaun stehen und unseren halb ernsten, halb komischen Manövern zuschauen. Ich rannte an Epps vorbei und direkt auf sie zu. Epps, der sie nun auch entdeckt hatte, folgte nicht. Er blieb noch ungefähr eine Stunde auf dem Feld. In dieser Zeit blieb ich bei Mistress Epps stehen und erzählte ihr, was sich zugetragen hatte. Jetzt war sie es, die aufgebracht war und beschimpfte ihren Mann und Patsey gleichermaßen. Schließlich ging Epps, nun schon fast nüchtern, in Richtung Haus. Er ging bedächtig, die Hände auf dem Rücken verschränkt, und versuchte, so unschuldig wie ein Kind zu schauen.
Als er näher kam begann Mistress Epps dennoch, ihn laut anzufahren und zu beschimpfen. Sie wusste einige respektlose Verwünschungen für ihn und wollte wissen, warum er mir die Kehle aufschlitzen wollte. Epps tat, als ob er von überhaupt nichts wüsste und schwor, zu meiner grenzenlosen Überraschung, bei allen Heiligen, dass er heute noch nicht mit mir geredet habe.
"Platt, du verlogener Nigger", war seine schamlose Ansprache an mich, " habe ich das ?"
Es ist nie gut, dem Herrn zu widersprechen, nicht mal wenn man die Wahrheit dabei sprach. Also war ich ruhig und als er ins Haus ging kehrte ich aufs Feld zurück. Über die Sache wurde nie wieder ein Wort verloren.
Kurz nach diesem Zwischenfall wäre es fast dazu gekommen, dass ich meinen echten Namen und meine Herkunft enthüllt hätte. Dies hatte ich immer sorgfältig vermieden, da ich überzeugt war, dass meine Flucht davon abhängen könnte. Schon kurz nachdem er mich gekauft hatte wollte Epps wissen, ob ich lesen und schreiben könne. Als ich ihm erklärte, dass ich durchaus ein bisschen Ausbildung diesbezüglich genossen hatte, sagte er mir, dass ich hundert Peitschenhiebe erhalten würde, sollte er mich jemals mit einem Buch, Feder oder Tinte erwischen. Er gab mir zu verstehen, dass er Nigger zum Arbeiten kaufte und nicht um sie auszubilden. Er fragte nie nach meinem vergangenen Leben, oder wo ich herkäme. Die Herrin nahm mich allerdings ein paar Mal ins Kreuzverhör bezüglich Washington, das sie für meine Heimatstadt hielt. Mehr als einmal bemerkte sie, dass ich mich nicht benehmen oder reden würde wie die anderen Nigger und dass sie sicher war, dass ich mehr von der Welt gesehen hatte als ich zugab.
Mein großes Ziel war es immer, heimlich einen Brief an meine Freunde oder meine Familie im Norden zum Postamt zu bekommen. Die Schwierigkeit dieses Unterfangens kann jemand, der die mir auferlegten Einschränkungen nicht selbst erlebt hat, kaum begreifen. Erstens besaß ich weder Papier, noch Tinte oder Feder. Zweitens darf ein Sklave ohne Pass weder die Plantage verlassen, noch wird ein Postbeamter einen Brief für ihn aufgeben, wenn er nicht das Einverständnis seines Herrn in Händen hält. Ich war
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