Zwölf Monate, siebzehn Kerle und ein Happy End: Das Single-Experiment (German Edition)
Es riecht nach verbrannter Erde.
Beziehungsweise
Montag, 21. Juni um 18:23 Uhr
Da. Nach mehr als einer Woche schreibt mir Konrad endlich eine lange Mail. Nein, falsch. Konrad schreibt nicht MIR eine lange Mail, er schreibt eine lange Massenmail und hat mich freundlicherweise mit in den Verteiler aufgenommen.
Ich könnte kotzen. Ich lese die sterbenslangweilige Abhandlung über sein japanisches Großprojekt, die Zurückhaltung der Einheimischen und die Schönheit der Kirschblütenzweige, und ich möchte spontan einen Mord begehen.
Ja, klar: Er hat mich angerufen, und das war äußerst entzückend, denn damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Mit Nadine im Hintergrund allerdings auch nicht. Und besonders habe ich nicht damit gerechnet, dass ich jetzt mit allen in einen Mailverteiler geschmissen werde und mich mit unpersönlichem – und dazu dramatisch langweiligem – Blabla herumschlagen muss.
Aber was habe ich eigentlich erwartet? Dass Konrad mir honigsüße und zuckrig-klebrige Mails schreibt? Dass er sich nach mir verzehrt, die Reise abbrechen und Nadine an einen japanischen Geschäftsmann zwangsverheiraten wird? Na ja, nicht so direkt – aber schon so ungefähr, ja!
Wenn wir ehrlich sind, war da ja gar nichts, zwischen ihm und mir. Nichts Konkretes jedenfalls. Nichts, was ein anderes Verhalten als sein jetziges rechtfertigen könnte. Und doch, andererseits: Wo verläuft die Grenze? Muss man denn immer offiziell mit Brief und Siegel, Standesbeamten und Zahnbürste im fremden Zahnputzbecher ZUSAMMEN sein, um sich liebevoll umeinander zu kümmern? Um sich das Gefühl zu geben: Ich vergesse dich nicht?
Für mich fängt eine Beziehung dann an, wenn zwei Menschen damit beginnen, sich umeinander zu sorgen, sich zu kümmern, aneinander zu denken, Zeit miteinander verbringen zu wollen. Wenn man »in einer Beziehung zueinander« steht. Dieser ganze neumodische Kram macht mich verrückt. Ich kenne Paare – die sich selbst nie als solche bezeichnen würden –, die verhalten sich seit Monaten wie zwei Menschen, die eben in einer Beziehung sind: Sie sind treu, sie sehen sich regelmäßig, sie begleiten sich zu Geburtstagen und Taufen, sie lassen den anderen an ihrem Leben teilhaben, sie fühlen sich zueinander hingezogen. Aber so lange nicht einer von beiden die Hosen runtergelassen und geschrien hat: »Eins-zwei-drei: Beziehung!«, sind beide noch Single, maximal »in so einer Geschichte« oder Teil eines »Mal-Sehen« oder »Dingsbums«. Und wenn sie noch nicht mal miteinander in die Kiste gehen, nur ein »Dings« ohne »Bums«. Das ist doch albern. Es ist doch nicht schlimm, das Wort »Beziehung« zu verwenden, selbst wenn das erst der Anfang ist. Es geht doch um das, was innen drin passiert. Ich glaube, dass es nur die Angst davor ist, Schluss machen zu müssen, die diese »Mal-Sehen«-Leute davon abhält, ihre »Geschichte« zu einer »Beziehung« zu machen. Lockere Bündnisse muss man nicht offiziell beenden. Da muss man nicht Schluss machen. Da wird auch nicht mit dir Schluss gemacht. Es passte halt nicht. Basta. Und da kann man später jederzeit sagen: Ach, so wichtig war es ja auch nicht. War ja keine Beziehung, kein Beinbruch, nur ein erstes Kennenlernen – das steck ich weg.
Wenn man es nicht »Geschichte«, nicht »Mal-Sehen«, nicht »Dingsbums« oder »Käsekuchen« nennt, sondern sich einfach mal traut, den Kleber »Beziehung« auf das Paket zu packen, muss man vermeintlich mehr hinter sich aufräumen, wenn es schiefgeht. Und das ist doch Quatsch. Das ist unehrlich und feige. Denn ändert sich das Gefühl tatsächlich, wenn man sich traut, seiner kleinen Geschichte den Beziehungswimpel zu überreichen? Ändert sich innen drin etwas? An den Gefühlen, den Erwartungen?
Ich bin schwer dafür, mehr Beziehungen und weniger Geschichten einzugehen. Wenn man immer davon ausgehen muss, dass man KEINE Versprechen gegeben, KEINE Regeln ausgehandelt, KEINE Erwartungen geschürt hat, dass man bloß nicht zu viel hoffen und erst recht nicht zu viel reininterpretieren darf – wie kann man dann ÜBERHAUPT jemanden finden?
Bei Konrad scheint sich meine Wahrnehmung definitiv von seiner zu unterscheiden. Ich war schon weiter. Das merke ich jetzt. Mein Gefühl sagte mir: Da geht noch was. Das ist keine »Geschichte«. Kein »Mal-Sehen«. Kein Käsekuchen. Das schmeckt nach Sommer, nach Kennenlernen, nach Erklärungen, nach Zuneigung und Risiko. Nach Beziehung. Tja. Das dachte ich wohl allein.
Und ex und
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