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Zwoelf Schritte

Zwoelf Schritte

Titel: Zwoelf Schritte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilja Sigurdardóttir
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ich. Du bist der Einzige, der hier pünktlich aufkreuzt.» Dann fügt sie hinzu: «Wer bist du?»
    «Ich heiße Magni», antworte ich.
    «Aha.» Sie schaut mich forschend an. «Der Fachmann der isländischen Polizei. Bist du nicht der Mann von Iðunn?» Sie spricht den Namen von Iðunn aus wie «Idunn».
    «Der ehemalige», antworte ich.
    «Aha!» Sie reicht mir die Hand und stellt sich vor: «Megan McKenzie.»
    «Ich bilde mir ein, Iðunn hätte gesagt, dass du aus Norwegen kämst.»
    «Ich bin Amerikanerin», antwortet sie, «seit zwanzig Jahren wohnhaft in Norwegen.»
    «Willkommen in Island», sage ich. In dem Moment platzen Iðunn und Njörður zur Tür herein, gefolgt von einigen Kriminalpolizisten und einem Arzt, den ich von Betriebsfeiern her kenne, als Iðunn und ich noch verheiratet waren. Seine Aufgabe besteht darin, für die Polizei Leichen zu untersuchen.
    «You’re late!», sagt Megan streng.
    «Du weißt, die isländische Pünktlichkeit», antwortet Iðunn lässig. «Willkommen in Island.» Sie stellt die Mannschaft vor, während alle Platz nehmen, und legt dann drei braune Pappumschläge vor Megan auf den Tisch. «Darum geht es. Drei mysteriöse Todesfälle in zehn Tagen, und es besteht der starke Verdacht eines Zusammenhangs, denn die Verletzungen sind ähnlich, und alle Opfer gehörten zu derselben Gruppe Anonymer Alkoholiker.»
    Megan knurrt etwas Unverständliches und beugt sich über die Unterlagen. Öffnet alle Mappen und blättert in jeder den Obduktionsbericht auf. Legt sie vor sich auf den Tisch und vertieft sich schließlich darin.
    «Da ist noch etw…» Weiter komme ich nicht, denn Megan zischt mich scharf an, ohne von den Unterlagen aufzublicken, und als ich mich umsehe, bedeuten mir Iðunn und Njörður mit dem Finger auf den Lippen zu schweigen. Die Polizeibeamten und der Arzt sitzen mit zusammengekniffenem Mund da. Sie sind offensichtlich auf die Eigenheiten der Tussi vorbereitet worden. Es wäre nett von Iðunn gewesen, wenn sie mich auch vorgewarnt hätte. Es herrscht Stille im Raum, abgesehen vom Rascheln des Papiers, wenn Megan in den drei Mappen blättert. Jetzt schaut sie sich die Fotos der Leichen an und blättert vor und zurück, inspiziert und vergleicht die Fotos paarweise, blättert erneut.
    «Besorg mir Klebeband», sagt sie schließlich, und ich brauche einen Moment, bis ich merke, dass ich gemeint bin.
    «Ich?»
    «Ja», antwortet sie, «und dann kannst du dich auch gleich ein bisschen mit der Bürodame unterhalten, wo es dir doch so schwerfällt, den Mund zu halten.» Ich schaue die anderen an, die immer noch die Lippen zusammenpressen, jetzt allerdings, um ein Kichern zu unterdrücken. Vielleicht wäre es angebrachter, wenn einer der Mitarbeiter das Klebeband holt. Dann schießt mir durch den Kopf, dass ich einfach beleidigt davonmarschieren und die feine Polizeibagage ohne Klebeband sich selbst überlassen könnte. Aber angesichts der Tatsache, dass die Frau Madam Klaps genannt wird, beschließe ich, es locker zu nehmen, und bin ehrlich gesagt froh, wenn ich diesem drückenden Schweigen entrinnen kann. Warum müssen all diese Leute dabei sein, während die Tussi die Unterlagen durchsieht? Das Mädchen am Empfang schneidet eine leichte Grimasse, als ich sage, dass die Profilerin Klebeband braucht, und reicht mir den ganzen Tesafilmständer und noch eine Ersatzrolle. Ich gehe in aller Ruhe wieder hoch und an der Kaffeemaschine vorbei und gönne mir noch einen doppelten Espresso, denn als Spätfolge des Entzugs überfällt mich immer wieder die Schläfrigkeit und fordert ein Nickerchen. Im Sitzungsraum herrscht immer noch drückende Stille. Schweigend lege ich den Tesafilm auf den Tisch zu den Aktenmappen, nehme stehend am Fenster meine Position ein und schlürfe leise meinen Kaffee.
    «Allright!», sagt Megan plötzlich laut und steht auf. Sie zieht einen dicken Filzstift aus ihrer Tasche, dreht sich zur Wand und kritzelt drei riesige Vierecke darauf. Ich sehe, wie sich die Kriminaler fragend anschauen, und Iðunn lehnt sich zu Njörður und flüstert etwas wie, dass sich die Dienststelle wegen der Tussi noch eine Zusatzversicherung wird besorgen müssen.
    «Dieser Raum ist jetzt die offizielle Kommandozentrale dieser Ermittlungskommission», verkündet Megan in einem Ton, nicht unähnlich dem eines Lehrers gegenüber einer lustlosen Klasse.
    «Aber das ist der einzige große Sitzungsraum im Präsidium, und es finden viele Sitzungen …», fängt Iðunn zu protestieren

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