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Zwoelf Schritte

Zwoelf Schritte

Titel: Zwoelf Schritte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilja Sigurdardóttir
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durchzugehen und blättert schließlich wiederholt die Fotos durch. Dann nimmt sie ein Foto, hängt es an die Wand außerhalb des ersten Vierecks und sagt laut:
    «I don’t know.»
    Sie dreht uns den Rücken zu und schaut auf die Wand. «Ich erkenne darin keinen religiösen Bezug, obwohl es Jesus in der Höhle sein könnte, aber andererseits ist kein Serienmörder unfehlbar. Es kommt ganz darauf an, was für ein Opfer sie gerade zur Verfügung haben, und manchmal wählen sie jemand aus, der nicht ihre Traumbedingungen erfüllt. Denn was auch immer er für eine höhere Berufung zu haben glaubt und anführt, um die Morde vor sich zu rechtfertigen, so gewinnt trotzdem immer wieder die Mordlust die Oberhand.»
    «Aber lassen solche Männer nicht stets eine Art Unterschrift oder Beweismittel am Tatort zurück, weil sie im Grunde ihres Herzens gefasst werden wollen?», frage ich.
    «Nein, mein Guter, nicht unbedingt Beweismaterial. Die wenigsten wollen gefasst werden, und die meisten kriegt man nie. Du hast wohl zu viele Krimis im Fernsehen gesehen.» Die Beamten kichern leise, aber mit einem Mal bekommt Megan einen scharfen Zug um den Mund. «Eine Unterschrift findet man sicherlich häufig, aber in diesem Fall könnte die Unterschrift die Inszenierung selbst sein. Die meisten Serienmörder sind stolz auf ihr Werk.» Ich schaue sie dankbar an, sie hat mir aus der Patsche geholfen, und mir scheint, dass sie mir ein winziges Lächeln zuwirft. Sie wird mir direkt sympathisch, die Hexentussi.
    Ich esse von den Kopenhagenern, Zimtschnecken und Berlinern und spüle sie mit Kaffee hinunter. Jemand hat sie eilig in der Bäckerei besorgt, nachdem Megan genervt nach Kaffee und Kuchen gefragt hat. Interviewprotokolle und andere Berichte machen die Runde, während sich die Leute stärken. Hin und wieder wirft jemand einen Blick auf die Fotos von den vier toten Männern an der Wand, die allen etwas den Appetit verderben, außer Megan, wie es scheint.
    «It’s suspect time!», verkündet Megan, als sie gut die Hälfte der Kuchenportion verdrückt hat, die für die ganze Gruppe gedacht gewesen war. «Gibt es jemanden, der alle Opfer kannte?»
    «Wir haben einen Mann namens Atli Eyjólfsson vernommen, von dem wir wissen, dass er mit Jón Ágúst gut bekannt war, und der sehr wahrscheinlich auch die anderen beiden über die Anonymen Alkoholiker kannte», sagt Iðunn. «Er wurde bereits wegen Körperverletzung verurteilt.»
    «Nehmen wir ihn uns noch einmal vor.» Iðunn deutet auf zwei Polizeibeamte, und ich bin etwas enttäuscht, weil ich gehofft hatte, dass wir das wieder zusammen übernehmen würden. Ich würde gern sein Gesicht sehen, wenn er nach den anderen beiden Männern gefragt wird.
    «Fällt euch noch jemand ein, außer den AA -Mitgliedern, der sie gekannt haben könnte? Vielleicht jemand, der den AA an den Kragen will oder verbittert ist, nachdem er Kontakt mit trockenen Alkoholikern hatte?» Megan sieht abwechselnd mich, Iðunn und Njörður an. Durch meinen Kopf schießt ein Bild von einem Mann, der zur Beruhigung in der Bibel liest und schweigend an Ostern einen Blumenstrauß aus den Händen seines Peinigers entgegennimmt.
    «Ich weiß nicht, ob das nicht völlig aus der Luft gegriffen ist, aber Elís Pétursson, der Pfarrer, der das Opfer von Atli Eyjólfsson war, kannte auch Jón Ágúst und hatte ihn einmal mit Atli zusammen gesehen. Er könnte die anderen durch seine Arbeit oder auf einem Meeting kennengelernt haben. Er ist auch bei den AA .» Ich habe es kaum ausgesprochen, als ich auch schon Schuldgefühle bekomme beim Gedanken an die welpenartigen braunen Augen und das narbige Gesicht des Pfarrers.
    «Nehmen wir ihn uns vor», befiehlt Megan erneut, und Iðunn zeigt auf dieselben Polizisten wie vorhin. «Vergessen wir nicht, dass Serienmörder häufig großes Interesse an der Polizei und ihrer Arbeit haben, die Inszenierungen könnten auch eine Botschaft an jemanden hier sein.» Sie angelt sich noch ein Stück Kopenhagener. «Wir wollen nicht vergessen, uns an die eigene Nase zu fassen und anderen gegenüber auf der Hut zu sein.» Sie beißt in den Kopenhagener und kaut, anscheinend ohne die peinlich berührten Gesichter der Anwesenden zu bemerken, die sich schweigend Blicke zuwerfen.
    Megan bricht das Schweigen:
    «Was haltet ihr davon, wenn wir den Fall publik machen, mit Schlagzeilen in allen Zeitungen, und die Öffentlichkeit zur Mithilfe auffordern?» Den Anwesenden steht eine Mischung aus Erstaunen und

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