Zwölf um ein Bett
verderben und sie erst auf den Gedanken bringen, daß ich hier allmählich umkam. Ich ahnte nicht, daß sie alle über Sie herfallen würden.«
»Um mich brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen«, sagte sie und hob ein wenig ihre Augenbrauen. »Es ist mir ganz gleich, was man denkt, solange man mir nicht in meine Pflege hineinredet.«
»Es tut mir doch leid«, beharrte er. »Sie waren alle abscheulich.«
»Mir macht das nichts aus«, sagte sie, steckte ihm sein Thermometer in den Mund und nahm sein Handgelenk. »Ich kann schon für mich allein sorgen. Sie können es augenscheinlich nicht. Man trinkt zu viel, und das Herz hämmert wie ein Morse-Apparat durch das Zimmer.« Es klang sehr ärgerlich.
Er nahm das Thermometer heraus und sagte: »Sie sind zu lange hier. Sie haben genug von mir. Warum geben Sie es nicht auf? Es wird niemals besser mit mir werden.«
»Wenn ich einen Fall übernehme«, sagte Elisabeth, ohne ihren Blick von der Uhr zu nehmen, »so warte ich gern ab, bis es dem Patienten besser geht oder bis er stirbt.«
»Spielt wohl keine Rolle, wie es bei mir ausgeht, solange es sich noch um beide Möglichkeiten handelt?«
»Nein. Stecken Sie das Thermometer wieder in den Mund und lassen Sie mich um Himmels willen zählen. Schon sechsmal habe ich jetzt wieder anfangen müssen.« Nachdem er zurechtgemacht war, kam seine Mutter im Morgenrock schuldbewußt in sein Zimmer geschlichen. Er lag und sah aus dem Fenster; er konnte nicht schlafen, sein Atem ging mühsam, er versuchte an nichts zu denken und hielt alles für möglich. Seine Mutter stolperte über irgend etwas, und er drehte das Licht an. Die Wasserwelle war sorgfältig in unzählige Lockenwickler eingedreht, ihr mit Goldkrem eingefettetes Gesicht strahlte auf Hochglanz, und sie trug Baumwollhandschuhe, in denen sie schlief, wenn sie ihre Hände eingerieben hatte.
»Ich weiß, ich sollte eigentlich nicht kommen«, sagte sie, »weil Elisabeth sagte, du müßtest heute früh zur Ruhe kommen; aber ich glaube wirklich, man könnte mich entscheiden lassen, was ich mit meinem Sohn machen kann und was nicht. Es geht dir doch ausgezeichnet, nicht wahr, Liebling? Das Fest hat dich doch nicht angegriffen?«
»Natürlich, Ma, ich fühle mich sehr gut«, sagte er, »reg dich bloß nicht auf.«
»Elisabeth regt sich auf, nicht ich. Es war ein wenig schlimm mit ihr heute abend, wo wir doch alle soviel Spaß hatten. Ich dachte, sie auch, aber sie mag nicht, daß die Vorschriften für dich nicht eingehalten werden; ich nehme an, das ist ihr im Krankenhaus so beigebracht worden. Kann sein, daß sie recht hat, aber — ich weißt nicht — sie ist ein komisches Mädchen. Sie stellt sich so gut an im Haushalt, und sie könnte nicht sorgfältiger mit dir umgehen. Sie ist auch so gut zu mir, aber...« Sie lachte. »Es klingt kindisch und albern, aber ich weiß tatsächlich nicht, ob sie mich mag oder nicht. Es macht mich ganz nervös, weißt du?« Plötzlich schnappte sie nach Luft. »Aber um Himmels willen! Weißt du, was ich vergessen habe? Deine Thermosflasche, Liebling. Nicht zu glauben, daß ich deinen Tee vergessen konnte. Du mußt mich für eine gute Mutter halten, wenn ein kleines bißchen Aufregung genügt, um alles aus meinem Kopf wegzufegen. Alberne alte Närrin, die ich bin.«
Sie schickte sich an, mit sich grollend hinauszugehen. »Bemühe dich um Himmels willen nicht jetzt noch, Ma«, sagte Oliver, dem Ruhe lieber war als Tee. »Ich glaube, ich wache diese Nacht nicht auf; ich bin schrecklich müde.«
»Aber es könnte doch sein, und was sollst du dann von mir denken? Es dauert nicht lange, bis das Wasser kocht«, sagte sie schon an der Tür, »ich bin gleich wieder da.«
Als sie mit der Thermosflasche wieder erschien, war ihr wieder eingefallen, weswegen sie eigentlich gekommen war. »Ist es nicht reizend, daß Heather so glücklich ist?« fragte sie und machte völlig überflüssige Anstrengungen, den Deckel bis zum Überdrehen festzuschrauben. »Siehst du, es ist genauso, wie ich immer gesagt habe, wenn ihr alles und jedes in die Krone stieg. Sie war nur so, weil sie John vermißte, wenn sie es auch nicht zugeben wollte. Ich wundere mich gar nicht darüber; er ist ein so netter Mensch. Und hör einmal, Liebling, er mag vielleicht so aussehen, als ob er ganz auf der Höhe ist, aber die Zeit in der Gefangenschaft hat doch etwas zurückgelassen. Da ist so eine Spur in den Augen, ich sehe es doch. Ich werde aufpassen, daß er sich gut ausruht und
Weitere Kostenlose Bücher