Zwölf um ein Bett
so daß man niemals von ihnen behaupten kann, sie wären nun endlich ins Mannesalter gekommen. Oliver hatte von sich selber festgestellt, daß er nach all den Monaten der Krankheit und selbst in seinen schlimmsten Zeiten manchmal aussah wie ein schmächtiger Jüngling, wohingegen John zu den wenigen Leuten gehörte, die man treffend als »Erwachsene« bezeichnen konnte. Schon mit zwanzig Jahren war er seiner Mutter, einer hilflosen und unselbständigen Witwe, gleichzeitig Ehemann und Sohn, Ernährer, Ratgeber und Beschützer gewesen. In der Zeit, als er Heather kennenlernte und sich, fasziniert von ihrer Sorglosigkeit, die ihm so fehlte, in sie verliebte, war ihm zum Bewußtsein gekommen, daß das Leben im wesentlichen eine sehr ernste Angelegenheit war; selbst seinen Späßen und Vergnügungen mußte man Gewicht beimessen. Darum lachte er auch lauter und tanzte und spielte mit mehr Intensität als die meisten Menschen; so wie er härter arbeitete, sich stärker plagte, und wie er das, was er an Heathers Seite in der Kirche von Hinkley versprochen hatte, auch wirklich ernst nahm.
Er sah gut aus, dunkel, mit eckigem Kinn und einem für seine Größe fast etwas zu breitem Gesicht; es wirkte, als hätte ein Gewicht es zusammengedrückt und dadurch die ständigen Querfalten in seine Stirn gezeichnet. Er war kräftig und muskulös, hatte sehr große Füße und knotige, praktische Hände. In seinem grauen Flanellanzug, den er sich in Melbourne gekauft hatte, und dem weißen Hemd, das seine gebräunte Haut noch wirkungsvoller zur Geltung brachte, sah er so besonders gut aus, so daß sich jeder in ihn verlieben mußte.
Heather schien ihn zu lieben. Ihre Zweifel und Befürchtungen waren verflogen und hatten sie heiter und fröhlich zurückgelassen. Am ersten Abend folgte sie John durch das Haus wie verzaubert; sie richtete sich nach seinen Wünschen, und er war genauso verzaubert und umsorgte sie voll Eifer. Sie hielten alles auf, indem jeder von beiden darauf bestand, daß der andere den Cocktail-Shaker leertrinken sollte, bis Mrs. North unter verschwenderischer Nichtachtung der Gin-Knappheit einen weiteren Umtrunk anregte.
Es war ein festlicher Abend. Sie saßen alle in Olivers Zimmer, und jeder, auch Oliver, trank eine ganze Menge Sekt, den Mrs. North hinter einem Vorhängeschloß für eine solche Gelegenheit sicher aufgehoben hatte. Fred glühte wie Feuer und hielt gut im Rennen mit, Violet lief vor Lachen zweimal blau an und fiel vom Stuhl. Mrs. North, die sich am Tage vorher eine Wasserwelle und eine malvengrüne Haarspülung hatte machen lassen, trug ihr schwarzes Moirekleid und die Schuhe mit geschweiften Absätzen aus ihrer Jugendzeit, auf denen man sie schon von weit her kommen hörte; nicht einmal der angebrannte Braten und die sauren Äpfel hatten ihre Stimmung beeinträchtigen können. Sogar Elisabeth war angeregt, und Oliver dachte wie immer, schade, daß sie so selten lächelt. Ihr klares, ausgewogenes Gesicht war in der Regel zu ernst und gelassen, aber sobald es in einem Lächeln aufleuchtete, war sie sehr hübsch. Als alle — und sogar Fred, der sich sicherer fühlte, wenn er das gleiche Geräusch machte wie die anderen, ähnlich einem Kanarienvogel, der eine Nähmaschine antrillert — über irgendeine Familiengeschichte lachten, die Elisabeth nicht kannte, sah er zu ihr hinüber und ertappte sie bei einem fast nachdenklichen Ausdruck. Sie gab sich einen kleinen Ruck, stand auf und sammelte die Teller ein.
Evelyn, der man erlaubt hatte, beim Abendessen dabeizusein, saß später auf Johns Knien, und er erzählte ihr über das Reiten in Australien. Er erwog den Gedanken, sich bei der Schiffsgesellschaft, für die er vor dem Kriege gearbeitet hatte, um einen Posten in Australien zu bewerben und mit seiner Familie dorthin auszuwandern, sobald er aus dem Kriegsdienst entlassen war. Als er vorsichtige Andeutungen darüber machte, war Heather so begeistert, daß er sagen mußte: »Langsam, langsam, altes Mädchen; das muß erst einmal genau überlegt werden.«
»Wenn wir dort >untergetaucht< sind, wie man das nennt«, erzählte er Evelyn, »mußt du ‘rüberkommen und uns besuchen. Du kannst dort so viel reiten, wie du willst.«
»Alles Märchen«, sagte Evelyn altklug.
»Die Kinder kommen überhaupt nicht von ihren Ponys herunter«, fuhr John fort, wobei er sein Kinn auf ihren Kopf stützte, so daß seine Stimme durch ihren Kopf dröhnte. »Und die, die auf dem Lande wohnen, reiten jeden Tag in die Stadt
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