Zwölf um ein Bett
empfinde oder warum ich katholisch werden wollte, schiebt er sein Kinn schief, wie immer, wenn ihn etwas verdrießt, und sagt: >Du mußt tun, was du für richtig hältst. Man kann sich nicht in die Religion anderer Menschen einmischen.< Und wenn er es täte, würde ich ihm an die Gurgel springen, obgleich ich in gewisser Weise darauf warte, weil ich mich dann als Märtyrerin fühlen könnte. St. Heather von Hinkley, verfolgt wegen ihrer Glaubenstreue. Dafür würde ich bestimmt vom Teufel einen höllischen Fußtritt bekommen. Himmel, geht die Uhr richtig? Ich muß gehen und mich hübsch machen; er hat es gern, wenn ich zurechtgemacht bin.« Sie verschwand, und Oliver hörte, wie sie ihre Mutter fragte, ob sie einen Fleckenstift hätte. Anscheinend wollte sie versuchen, den Kakaofleck aus ihrem Hausgewand zu entfernen.
Sechs Uhr war vorüber, und um sieben erschien Heather, die ungezählte Male die Treppe heruntergelaufen war, um an der Haustür Ausschau zu halten, zu einem Cocktail in Olivers Zimmer und sagte: »Ich wünschte wirklich, er käme endlich. Was in aller Welt kann ihm denn nur passiert sein, Ollie?«
»Vielleicht hat der Zug Verspätung«, sagte Oliver, »ich würde mich nicht so ängstigen.«
»Du lieber Gott, ich ängstige mich doch nicht. Aber David will nicht einschlafen. John hat ihm versprochen, er würde noch an sein Bett kommen, wenn er zurück ist. Ich finde, er könnte wirklich kommen.«
Um acht Uhr schlief David, der vergeblich gegen seine Schläfrigkeit anzukämpfen versuchte, im Sitzen ein. Heather packte ihn warm ein, kam herunter und gab eine dramatische Beschreibung von David, wie er bleich sei vor Erschöpfung. »Es ist wirklich zu schlecht von Johnny«, sagte sie.
»Vielleicht hat er seinen Zug verpaßt«, beruhigte sie ihre Mutter. »Stelle dich nicht an, Heather, als ob noch niemals Jemand seinen Zug verpaßt hätte.«
»Er gehört nicht zu der Sorte Männer, die einen Zug verpassen«, sagte Heather. »Und wenn, hätte er telefoniert. An so etwas denkt er immer.«
»Vielleicht wollte in Shrewsbury der Wagen nicht anspringen«, mutmaßte Oliver.
»Bei ihm springen die Wagen immer an. Er versteht was davon.« Sie rannte unruhig und angespannt umher und schwenkte dabei den Rock ihres Hausgewandes. »Gib endlich Ruhe«, grunzte Violet, aber Heather steigerte sich immer mehr in ihre Angst hinein und steckte auch bald ihre Mutter an, die für die geringste Angst empfänglich war. »Es ist ihm bestimmt irgend etwas passiert; ich habe so eine Vorahnung«, sagte Heather und blickte über Olivers Bett hinweg suchend aus dem Fenster, als ob sie erwartete, Johns Geistererscheinung auf dem mondbeschienenen Rasen auftauchen zu sehen. »Verrückt, all das in Burma überstanden zu haben, um unter einem Londoner Taxi zu enden«, sagte sie dramatisch.
»Mach dich nicht lächerlich, Heather«, sagte ihre Mutter, ergriff jedoch von der Vorstellung sofort Besitz und malte sie sich aus. »Schließlich hätte uns das Krankenhaus Bescheid gegeben. Ich habe gerade letzte Woche seinen Namen in alle seine Hemden genäht.«
»Wenn ich doch nur in Verbindung mit ihm kommen könnte, damit er erfährt, wie ich mich um ihn gesorgt habe«, sagte Heather sehr geistreich. »Stell dir doch nur vor, Ma, da war ein Zugzusammenstoß, oder er hat plötzlich eine Blinddarmentzündung bekommen oder sein Gedächtnis verloren infolge eines nachträglichen Nervenschocks oder dergleichen.« Sie diskutierten die verschiedensten dämonischen Möglichkeiten von Johns Schicksal, bis Violet mit einem ungeheuren Gähnen fragte: »Wie lange wollen wir denn nun noch mit dem Abendessen warten?«
»Ja, wir wollen essen, nicht wahr?« sagte Mrs. North. »Ich kann Johns Portion warm stellen. Komm, Heather, es wird dich etwas aufmuntern. Es gibt heute Fasanenbraten.«
»Ich kann nichts essen«, brüstete sich Heather, »ich werde lieber ‘raufgehen und meine Babys versorgen.«
Violet schnaufte verächtlich, als sie das Zimmer verlassen hatte. »Arme Irre«, sagte sie mitleidig, »ich würde mir nicht einen Fasanenbraten an der Nase Vorbeigehen lassen, bloß weil Fred ein paar Stunden später kommt. Kürzlich, als er nicht zum Tee kam, wurde mir das Warten zu dumm, und ich habe alles aufgegessen. Als er halb verhungert nach Hause kam, war nichts mehr da, und damit basta!«
»Ich wette, Fred ist anderer Meinung«, sagte Oliver.
»Ach, ihm machte das nichts«, sagte Violet leichthin, »er aß Brot oder so was.«
Um halb zehn war
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