Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt
Stunden erst gepilgert waren, lag ein Sportplatz halb im Wald versteckt. Ein klarer Bach gluckerte auch ganz in der Nähe: schöner konnte es nicht sein. Zufrieden hockten sich die zwölf »Verstoßenen« auf den Boden, um den »Küchenzettel« zu bedenken. Da mußte denn erst mal Nachschau gehalten werden, was alles auf dem Leiterwagen war. Die genaue Prüfung fiel so überraschend aus, daß die kleinen Burschen selbst erschraken, was sie alles daheim »zusammengenascht« hatten: Einen halben Zentner Kartoffeln vom dicken Emil, drei mächtige Bratwürste vom kleinen Theo, Nudeln, Reis und Gerste, Grießmehl und Rosinen aus Philipps elterlichem Laden, von jedem etwa drei bis vier Pfund (Rosinen weniger), eine Seite Speck, einen halben Schinken von Willem. Sechs Brote und ein Säckchen Grieß von Herbert aus der Bäckerei, Rauchfleisch, zwei Brote, Butter, Käse, noch zwei Flaschen Limonade und ein mächtiges Stück Streukuchen von Franz und Jupp, ein Säckchen Mehl, ein ganzes Dutzend Eier (zwei » geblötschte «) von Ludwig aus der Mühle (dazu ein Säckchen Hundekuchen für Karo), einen Rodonkuchen , der eigentlich für den Sonntag bestimmt war, einige Pfund Äpfel und ein paar Blutwürste von Mäxchen Voß, dem Sprößling des Gendarmen, Haferflocken, Puddingpulver, eine Kiste Kieler Sprotten, ein Pfund Limburger Stangenkäse und ein Fläschchen Himbeersaft von Fritz, ein Rollschinken, drei Pfund Erbsen und fünf Pfund Zucker (Würfelzucker) von Pitt, zwei Büchsen Rollmöpse in Gelee, eine Zervelatwurst, drei Brote von Hermann.
Wie gesagt, die »Verstoßenen« glaubten, in alle Ewigkeit das Zeug nicht vertilgen zu können. Herbert, der ein unbestreitbares Organisationstalent hatte, begann gleich, die reiche Fülle einigermaßen zu ordnen. Dann erhob sich die schwierige Frage: »Was soll denn nun zuerst gekocht werden ?« Emil war für »Himmel und Erde«, ein Gemisch von Kartoffelbrei und Äpfelkompott. Begründung: Damit die Kartoffeln weg kommen, die wiegen so schwer. Fritz war für einen Riesenpudding. Herbert für Erbsensuppe mit Schinken, jeder hatte einen anderen Wunsch. Es drohte schon wieder ein kleiner Krach, weil jeder seinen Wunsch mit Heftigkeit vertrat.
»Die Eier müssen auch weg, sonst gehen sie noch alle kaputt«, meinte Ludwig. »Nee, ist nicht nötig, die kochen wir im Kartoffelwasser«, entschied der dicke Emil, der von seinem Leibgericht »Himmel und Erde« nicht abzubringen war. »Und die zerblötschten ?«
»Die kommen in den Kartoffelmatsch !« Schließlich trat Willem auf den Plan. »Bin ich der Hauptmann oder bin ich es nicht !«
»Bist du !« gaben alle einstimmig zu. »Gut, dann gibt es heute mittag Grießmehlsuppe mit Rosinen und hinterher ein Butterbrot mit Wurst !« Alle waren einstimmig dagegen.
»Wenn ich als Hauptmann vorbeten muß, dann bestimm ich auch, was gekocht wird«, ließ Willem nicht locker.
»Weshalb willst du denn ausgerechnet so’ne labberige Suppe, wo wir nicht mal Milch haben ?« wollte Emil wissen. »Weil das nicht so lange dauert. Und Milch können wir kaufen, da im Dorf !«
Willem setzte sich durch! Die Aussicht, daß sie heute nachmittag noch in die große Stadt kämen, die ganz zu durchwandern sei, und in der man doch auch etwas sehen wollte, ließ es allen wünschenswert erscheinen, möglichst bald weiterzukommen.
Also Grießmehlsuppe. Aber nun erhob sich ein neuer Streit. Willem glaubte, als Hauptmann auch selbst das Kochen besorgen zu können, erst recht, wo doch der Kochpott sein Eigentum sei. Aber da wurde der Widerstand noch heftiger. »Hast du schon mal ‘nen Hauptmann gesehen, der kocht ?« Das hatte Willem allerdings nicht. »Und weil du den ollen Pott mitgebracht hast? Wir haben auch Kessel zu Hause, viel größer und schöner als der da«, ließ sich nun der dicke Emil wieder hören, »brauchtest du bloß zu sagen, hätte ich einen mitgebracht !« Willem fühlte, daß es klug sei, auch einmal nachzugeben. Und es war gar nicht dumm von ihm, nun einfach zu bestimmen: »Schön, also Emil kann dann kochen !«
»Wenn er das Zeug versaut, hört er auch das blöde Stänkern auf«, dachte er dabei ganz richtig. Aber Emil war gar nicht gewillt, »das Zeug zu versauen«. Er griff, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, nach Willems Kochpott, ließ sich Geld aus der Kasse geben und trottete ab ins Dorf. Kaum hatte er da eine Bäuerin gefunden, die ihm Milch abgeben konnte, als er auch die Gelegenheit benutzte, sich das nötige Rezept für die
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