Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt
auf der letzten Höhe.
»Wir wollen jetzt gehen«, sagte Willem schließlich, »denn der Weg ist doch noch sehr weit !«
»Doch, das wollen wir«, antwortete Emil für die anderen, und es war ihm ganz recht, daß jetzt wieder Willem der Hauptmann war.
Also stiegen die zwölf »Verstoßenen« mit Karo und dem Leiterwagen zur großen Stadt hinab. Unten am Fuße des Hanges kam von rechts her aus der Ebene eine mächtig breite Straße und lief geradewegs auf die große Stadt zu. Die zwölf Jungen nahmen sie unter ihre Füße. Jetzt waren sie aber nicht mehr mutterseelenallein, wie bisher zumeist auf ihrer Wallfahrt, nein, auf dieser breiten Straße flutete brausendes Leben. Da kamen Autos und Lastwagen in schneller Fahrt dahergerollt und fuhren in die Stadt. Gleich neben der Straße liefen vielfach nebeneinander die Gleise der Eisenbahn und darüber polterten Züge mit mächtig großen Wagen und Güterzüge, von denen man kaum ein Ende sah. Sie alle fuhren in die Stadt oder kamen von dort. Und Männer und Frauen waren da, die auf Fahrrädern fuhren oder zu Fuß gingen und es sehr eilig hatten. Da hatten die zwölf Jungen große Mühe mitzukommen. Sie wurden einfach mitgerissen in den Wirbel der Stadt hinein und konnten gar nichts dagegen tun. Darum beteten sie jetzt auch nicht mehr, sondern sie marschierten im Gleichschritt wie die Soldaten, daß das Straßenpflaster nur so knallte.
Dann kamen die ersten Häuser der Stadt. Oh, die lagen in wunderbaren Gärten, in denen mächtige Bäume wuchsen. Jetzt noch, im Herbst, blühten herrliche Blumen in den Wiesen, und die Häuser, die hinter den Bäumen lagen, schienen alle aus Marmor gebaut und hatten Dächer von Silber. Daß es so was Schönes geben könnte, hätten die Jungen aus Obermauelsbach nie geglaubt. Um die Gärten waren mächtige Gitterzäune, man konnte nicht hinein, aber alle waren sich einig, daß dahinter eigentlich nur Könige wohnen könnten oder »Regierungspräsidenten«, wie der kleine Theo meinte. Eine lange Zeit marschierten die Zwölf durch solche Märchenpracht, dann kamen noch mächtigere Gärten, ohne Häuser darinnen und ohne Gitter darum, »Schillerpark« stand bei einem zu lesen auf einem Schild. Und darunter stand: »Die Anlagen werden dem Schutze des Publikums empfohlen !« Viele Leute spazierten in den Gärten auf und ab und ließen sich von der Nachmittagssonne bescheinen, und Kinder spielten dort im Sand. »Da dürfen wir auch mal rein«, meinte Mäxchen Voß.
» Nöh «, sagte Emil, »bloß Leute, wo Publikum sind, dürfen das .« Da war also nichts zu machen.
Erst nach vielen hundert Schritten kamen dann wieder Häuser. Die waren nicht mehr so schön. Sie waren aber viel höher. Viele Stockwerke hoch, daß man den Hals recken mußte, wenn man zum Dach sehen wollte. Gärten waren keine mehr da, dafür aber noch mehr Autos und Straßenbahnen und Radfahrer und Fußgänger, die alle liefen, und mächtig viele Kinder, die auf der Straße spielten. Alle waren sehr fein angezogen. Die Obermauelsbacher Jungen schämten sich mächtig, denn alle Leute lachten, wenn sie Karo und den Leiterwagen sahen oder das Kreuz, das Hermann über der Schulter trug. Die Jungen auf der Straße schrien hinter ihnen her: »Wo haben sie euch denn losgelassen ? « Aber die zwölf »Verstoßenen« gaben keine Antwort, sondern machten, daß sie weiterkamen. Sie hatten den sehnlichen Wunsch, möglichst bald aus der großen Stadt wieder hinauszukommen. Kein Hund außer Karo war zu sehen, höchstens mal ein ganz kleiner, dicker, den so eine feine Frau am Kettchen hatte, kein Hahn und keine Hühner waren da, viel weniger eine Kuh. Erst recht natürlich kein Misthaufen. Die Bubenwallfahrt von Obermanuelsbach war schon ein gut Stück in die Stadt hineingekommen. Aber jetzt ging es plötzlich nicht mehr. Sie standen am Rande eines mächtigen Platzes. Rundum kamen viele Straßen auf diesen Platz zu, und aus allen Straßen quollen die Menschen heraus, und die Autos und die Straßenbahnen. Das alles wirbelte nur so über den Platz hin. Die zwölf Jungen wußten beim besten Willen nicht, in welche der vielen Straßen rundum sie hätten untertauchen sollen, um nach Dickendorf zu kommen. Und jemand zu fragen, hatten sie einfach nicht den Mut, wo doch alle Leute so eilig waren.
Ein unglückliches Häufchen standen sie da am Rande des Bürgersteiges, sie wußten einfach keinen Rat mehr. »Wenn wir bloß mal über den Platz rüber wären«, sagte Willem zaghaft. »Da können wir
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