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Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt

Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt

Titel: Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Seinsche
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ihren Stühlen herunter und stolperten zur Türe. Ludwig nahm Karo beim Halsband und dachte: Hier wäre ich gerne noch ein Stückchen sitzengeblieben! Aber das ging ja offenbar nicht. Als sie alle draußen auf dem Gange waren, sagte die Schwester lächelnd: »Wartet noch ein Augenblickchen, ich hab noch was für euch! Geht unterdessen schon mal hier herein, ich komme euch dann holen .« Als die Schwester die Tür aufmachte, sahen sie, daß es die Kapelle war. »Leg dich !« sagte Ludwig zu Karo an der Tür, und dann traten sie ein. Ganz dunkel war es da drinnen schon. Aber vor dem Altar brannte hell das Ewige Licht. Die »Verstoßenen« knieten sich hin und beteten, so gut es ging, ein » Ave Maria« für Herbert, und dann warteten sie, bis die Schwester kam. Sie hatte jetzt ein Körbchen in der Hand, in dem sauber abgezählt elf Butterbrote lagen und elf Äpfel. »So, das ist für euch !« sagte sie. Und jeder bekam seinen Apfel und sein Butterbrot. Nur Karo bekam nichts, und er schien recht traurig darüber zu sein. Mit seinen großen Augen guckte er die Schwester an und ließ die Zunge so weit aus dem Maul heraushängen, daß es schließlich jeder merkte, was Karo wollte. Dazu wackelte er aber auch fein mit seinem Schwanz. »O«, sagte die Schwester, »da ist ja noch einer, der etwas will. Der hat sicher großen Durst. Und Hunger hast du auch, was, Männe ?« Karo hieß zwar nicht Männe, aber sonst stimmte es. »Na, dann komm !«

    Karo schien begriffen zu haben. Gehorsam tappte er hinter der Schwester die Kellertreppe hinab. Eine Viertelstunde später war unsere Buben wallfahrt wieder im Gewühl der Großstadt. Ach, jetzt merkten die »Verstoßenen« erst, wie müde sie waren. Ihre Füße brannten, jeder Muskel in den Beinen tat weh, so daß jeder Schritt eine Qual war. Sie stolperten mehr als sie gingen. Den Weg zum Dom hatten sie schnell gefunden, und nun gingen sie die Straße durch, in der die Obermauelsbacher Prozession vor nun schon bald zwei Stunden verschwunden war. Ach, diese Straße lief schnurgerade dahin, und man sah gar nicht, wo sie einmal zu Ende gehen würde. Häuser zu beiden Seiten, nichts als hohe Häuser. Und dazwischen nichts als Menschen. Dazu die müden Beine und die traurigen Gedanken.
    Wir können verstehen: die »Verstoßenen« hatten das Wallfahrten gänzlich satt. Aber was half das jetzt; Sie mußten wenigstens noch bis Dickendorf heute abend, um die Obermauelsbacher Prozession zu treffen. Denn das war jetzt selbstverständlich: allein konnten sie nicht mehr weiter! Ach, wären sie schon gut in Dickendorf und hätten alles gebeichtet, was sie in den zwei Tagen geleistet hatten!
    Einstweilen aber nahm die lange Straße noch gar kein Ende. Zweimal hatte Willem schon gefragt, ob es hier nach Dickendorf gehe. »Jawohl«, war die Antwort gewesen. Nun wurde es langsam Abend. Hinter den großen Fensterscheiben der Glashäuser auf beiden Seiten brannten schon die Lichter, und alle Leute, die durch die Straßen liefen, schienen es noch eiliger zu haben als heute mittag. Die wollten alle sicher schnell nach Hause zum Abendessen, die hatten Hunger. Die »Verstoßenen« hatten keinen Hunger. Das Butterbrot von der Schwester hatten sie kurzerhand in die Hosentasche gesteckt und nur den Apfel hinuntergewürgt. Aber eilig hatten sie es auch, sehr eilig sogar. »Wenn doch bloß einmal diese blödsinnig lange Straße zu Ende wäre !« brummte der rote Philipp, der mit Willem den Leiterwagen zog.
    » Nuja «, antwortete Willem, »sei still, ich glaub, dahinten ist das Ende der Stadt. Da vorne hören die Häuser alle auf, wo es den Berg hinaufgeht. Und so komisch sieht das da aus !«
    Das »Komische« war die Brücke, die über den großen Strom führt, an dem die Stadt liegt. Als die elf »Verstoßenen« mit Karo und dem Leiterwagen mitten auf der Brücke waren, machten sie halt. Sie konnten nicht anders. Hatten sie es noch so eilig, und mochte der Weg bis Dickendorf auch noch viele Stunden weit sein, das war der große Strom, von dem der Lehrer doch soviel erzählt hatte, den mußten sie sich unbedingt ansehen. Sie hingen über dem Geländer, einer neben dem anderen in langer Reihe, und schauten hinab in das breite, tiefdunkle Wasser, das tief unten in feierlicher Ruhe zwischen den Brückenpfeilern herfloß. Große Schleppdampfer mit mächtigen Kähnen hinterher kamen den Fluß herunter. Die Rauchwolken aus dem Kamin dampften ihnen direkt ins Gesicht, daß sie alle ein bißchen schwarz vom Ruß

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