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Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt

Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt

Titel: Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Seinsche
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hingen an den Wänden, und zwischen den beiden Fenstern hing ein großes Kreuz. In dem einzigen Lehnstuhl, der am Tische stand, saß Willem. Er hatte den Kopf in beide Hände gestützt, und mit Schrecken sahen die »Verstoßenen«, daß ihrem Hauptmann dicke Tränen durch die Finger tropften. Er sah gar nicht auf. Erst als der kleine Theo sagte: »Willem, was ist denn bloß ?« und als Philipp sagte: »Ist es denn so schlimm?« hob er das Gesicht, verbiß das Weinen und sagte: »Weiß ich nicht! Aber« und wieder liefen ihm die Tränen über das Gesicht — »was soll denn jetzt bloß werden, wo ich doch an allem schuld bin...« Da wußte keiner etwas zu sagen. Nur der kleine Theo reckte sich mächtig auf und sagte so fest, wie er nur konnte: »Da müssen wir eben noch viel mehr beten, und dann wird auch alles wieder gut !«
    Die elf »Verstoßenen« hockten trübsinnig um den großen Tisch. Wären sie doch nur in Obermauelsbach geblieben! Wenn sie nur schon gewußt hätten, wie es um Herbert stand! Nun saßen sie schon eine ganze Stunde da und warteten. Nachdem das Unglück mit Herbert geschehen war, gab es keine Möglichkeit mehr, die Wallfahrt zu einem guten Ende zu bringen. Jetzt nach Obermauelsbach zurückkehren, ging aber auch nicht. Was würden die zu Hause sagen, wenn sie ohne Herbert ankämen! Also mußten sie nach Dickendorf zu den anderen. Willem stand der Schweiß auf der Stirne, wenn er an die nächsten Stunden dachte. Und er war an allem schuld. Da half keine Ausrede: er war der Hauptmann und der Anstifter, jetzt mußte er auch alles ausfressen. Da wurde draußen mit einem Male eine mächtige Stimme laut, Schritte polterten über den Gang, die Türe flog auf, ein großer Mann in einem weißen Kittel mit einem dicken Bauch stapfte ins Sprechzimmer. Der Herr Doktor!
    »Oha! Da seid ihr Lümmels ja !« polterte er miteiner gutmütigen Bärenstimme los. »Na, tüchtig Blut geschwitzt? Tüchtig Angst gehabt? Ja, was macht ihr auch für Sachen? Aber nun hört mal schön zu: Also sterben tut der Herbert einstweilen noch nicht. Hat ja ‘nen tüchtigen Stups gekriegt, aber kaputt ist nichts. In ein paar Tagen ist er wieder gut, dann könnt ihr ihn mitnehmen. Also macht es gut, Jungens, und seid schön vorsichtig! Einen Hund habt ihr auch bei euch? Ist ja ein prächtiger Köter. Soso, also auf Wiedersehen und Kopf hoch!«
    »Können wir denn nicht mal zu Herbert’« fragte der dicke Emil.
    »Ne, Jungens, das geht nicht, den müßt ihr jetzt schön allein lassen. Der schläft. Und Angst zu haben braucht ihr nicht. Wir machen ihn nicht tot und hauen ihn auch nicht durch! Er kriegt tüchtig zu essen und darf morgens schlafen, solang er will. Alles fein , was2 In drei Tagen dürft ihr mal vorbeikommen, eher nicht. So, nun lauft mal schön. Ne, halt! Die Schwester will euch noch was fragen !« Zum Abschied bekam der rote Philipp noch eine sanfte Ohrfeige, und draußen war der dicke Bauch im weißen Kittel. Dafür kam jetzt die freundliche Schwester wieder. Sie trug einen Papierblock bei sich und schrieb fein säuberlich Herberts Namen und Wohnort auf, was sie »die Personalien« nannte.
    »Es gibt doch kein Protokoll ?« fragte Mäxchen Voß, der Sohn des Gendarmen aus Obermauelsbach.
    »Nein«, sagte die Schwester, »das ist nur für uns. In drei bis vier Tagen ist euer Freund wieder gut, da könnt ihr ihn wiederholen !«
    »Wo sollen wir denn bis dahin bleiben ?« fragte Willem ganz verzagt.
    »Ja, Jungens, das weiß ich auch nicht. Ihr wolltet aber doch nach Heiligkreuz? Also, dann ist es doch das beste, ihr wallfahrtet fein da hin und holt auf dem Heimweg Herbert liier wieder ab !«
    »Und die ganze Zeit sollen wir ihn alleine lassen ?« rief Willem. »Aber, Jungens, sicher könnt ihr das! Der Herbert kann hier doch nichts mit euch anfangen. Den stört ihr nur. Ich werd’ ihn fein von euch grüßen, ihr schreibt ihm jeden Tag eine schöne Karte, und wenn ihr tüchtig für ihn betet, ist er ganz gesund, wenn ihr wieder hier seid .«
    »Wenn wir aber nun länger als vier Tage bleiben !« fragte jetzt der dicke Emil.
    »Oh, dann werfen wir den Herbert auch nicht hinaus. Der bleibt hier, bis ihr ihn holen kommt, und wenn es auch eine ganze Woche dauert .«
    »Und gar kein bißchen dürfen wir zu ihm ?« bettelte Willem. »Nein«, sagte die Schwester, »der Herr Doktor will es nicht haben. Herbert schläft aber auch ganz fest !«
    Ja, da war also nichts zu machen. Die elf »Verstoßenen« rutschten schwerfällig von

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