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Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt

Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt

Titel: Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Seinsche
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wurden. Dafür konnten sie denn auch fein von oben auf die Kähne spucken. Das war zwar nicht einfach, weil der Wind die Spucke ganz anderswohin trug, als man sie haben wollte. Trotzdem traf der rote Philipp zweimal einen Kahn, worauf er nicht wenig stolz war. Und wenn die Schiffe so unter einem herglitten, dann war einem das, als ob man selbst daherfahre in stillem, wunderbarem Flug.
    »Los, nach Dickendorf !« kommandierte Willem, als er merkte, daß es bedenklich zu dämmern anfing. »Ist bestimmt noch ‘ne Stunde !« Und mit müden Schritten setzte sich die Buben wallfahrt aufs neue in Bewegung, langsamer und schleppender noch als bisher. Willem sah es kommen: bald würde es gar nicht mehr weitergehen. Ach, und er ahnte noch gar nicht, daß hinter der Brücke schon ein neues Abenteuer auf sie wartete!

Noch ein Verletzter

    Hinter der Brücke hatte die große Stadt auf einmal ein anderes Aussehen. Zwar standen zu beiden Seiten der Straße noch die hohen Häuser, eines neben dem anderen, viele Stockwerke hoch. Aber diese Häuser waren grau und schmutzig. Kahl die Wände von unten bis zum Dach hinauf, und die Fenster blickten trübe und schmierig auf die Straße hinab. Viele, viele Menschen mußten in diesen Häusern wohnen, aber das konnten keine frohen Menschen sein, dafür sahen ihre Häuser zu traurig drein.
    »Du, hier wohnen arme Leute !« sagte Willem zu Philipp, »guck mal, da hinten hängen richtige Lumpen aus dem Fenster.« Also auch solche Armut gab es in der Stadt. Auch das war wahr. Da hatte der Herr Lehrer wieder einmal recht gehabt. Die »Verstoßenen« zogen die traurige Straße entlang, an der die grauen Häuser standen. Viele Kinder waren wieder auf der Straße. Manche von denen hier trugen nur bessere Lumpen. Und frech waren sie. Kaum hatten sie die müde daherkommende Bubenwallfahrt bemerkt, als sie auch schon anfingen, ihr Schimpfnamen nachzurufen. Mit höhnischem Gelächter zogen sie hinter den »Verstoßenen« her, spotteten über ihr bäurisches Aussehen und hänselten Karo, den Hund. In den Türen der grauen Häuser standen bisweilen die Erwachsenen in kleinen Gruppen zusammen, meist Männer und halbwüchsige Burschen. Die hatten ihre Freude daran, wenn die Straßenjungen hinter den Obermauelsbachern her waren. Und je mehr jene den armen Bauernbuben zusetzten, um so lauter lachten sie.
    Mehr und mehr hatten die »Verstoßenen« ein schnelleres Tempo angeschlagen, um dem schlimmen Straßengesindel zu entkommen. »Ihr müßt gar nicht hinsehen«, sagte Willem leise den Kameraden, »nur weiter jetzt! Lange kann es nicht mehr dauern, bis wir die Stadt hinter uns haben. Wenn wir einmal im freien Feld sind, haben wir es gepackt und rasten auch noch mal !« Aber je weniger sich die hastenden Dorf buben um die Straßenflegels kümmerten, um so herausfordernder wurden diese. Von den Erwachsenen geradezu ermuntert, genügte es ihnen bald nicht mehr, bloß hinter den Dorfjungen herzuspotten und zu höhnen, jetzt suchten sie auch auf jede erdenkliche Art, diese am Weiterkommen zu hindern. Zuerst war es noch harmlos. Aber als sie dann merkten, daß auf dem Leiterwagen Lebensmittel waren, kamen sie heran und stellten sich als Bettler hin: »Ein armer, zehnköpfiger Familienvater bittet um eine milde Gabe !« Je verlegener und hilfloser die armen Bauernbuben waren, um so größer war die Freude der Großstadtlümmels. Schließlich kamen sie und fragten, ob sie nicht mitwandern dürften, und ehe sich die Obermauelsbacher versahen, hatten sie ein halbes Dutzend Straßenflegels mit Hallo und Hurra auf dem Leiterwagen sitzen. Karo kam einfach nicht mehr weiter. Das war nun doch zuviel.
    »Gellt da runter !« sagte Willem und packte gleich einen beim Arm und riß ihn von dem Leiterwagen fort. Das war aber ein Signal! »Was, ihr wollt hier frech werden ?« schrie einer der ungeschlachtesten Flegels, »da kommt mal her!« Und aus einer der Haustüren klang eine wüste Stimme: »Last ihr euch das von dem hergelaufenen Pack gefallen ?«
    »Gib ihn’n !« klang es noch hinterher. Da setzten sich die armen »Verstoßenen« in Trab. So sehr es ihre brennenden Füße und müden Glieder möglich machten, rannten sie davon. Laut polterte der Leiterwagen über das Pflaster. Hinter ihnen her aber jagte eine johlende und schreiende Meute, die entschlossen war, es den Bauern »zu geben«. Es wäre für die »Verstoßenen« ein aussichtsloses Rennen gewesen. Niemals wären sie den Verfolgern entkommen, wenn nicht bei

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