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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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begreifen.
     
    Felts Blick suchte Reva, sie ging nicht weit von ihm mit gesenktem Kopf und weit übers Gesicht gezogener Kapuze durch knöcheltiefes Wasser. Sie führte ihr Pferd nicht, es trottete vertrauensvoll hinter ihr her. Es wusste, dass seine Herrin nicht plötzlich durch den schwingenden, filzigen Moosteppich brach, bis zur Hüfte oder gar Brust feststeckte und befreit werden musste, wie es fast jedem anderen schon ergangen war. Diese Gegend zwischen Wasser und Land war wie für Reva gemacht, sie wurde nicht müde, sie war die Einzige, die mit Felt Schritt halten konnte   – umso mehr ärgerte er sich darüber, dass sie all die anderen mitziehen mussten. Er ertappte sich bei dem Wunsch, alle mögen einem Fieber erliegen, damit er endlich vorankam. Er schaute auf, suchte die Sonne, drei, vier Stunden noch, dann käme der Nebel aus den Mulden gekrochen und sie würden lagern müssen. Ein aufwändiges Unterfangen, denn eine halbwegs trockene Stelle zu finden, die auch noch groß genug war, dass ein Mann sich ausstrecken konnte, war schwierig. Und sie mussten jede Nacht viele solcher Stellen finden. Das Lager war weit auseinandergezogen, es zu bewachen so gut wie unmöglich; Felt bestand trotzdem darauf. Er hatte zwaraußer den Insektenschwärmen und kleinen, glitschigen Wesen, die ins dunkle Wasser sprangen, wenn man vorüberstolperte, bisher nur Vögel gesehen   – ganze Kolonien brüteten in den Sümpfen, die Versorgung des Reisetrupps war das einzige Problem, das sie nicht hatten   –, aber es war für ihn schlicht nicht vorstellbar, ein Lager unbewacht zu lassen.
    Und seit dem heutigen Morgen hatte er das ungute Gefühl, beobachtet zu werden. Als er in der Früh darauf gewartet hatte, dass der Nebel sich verzog, hatte es ihn angesprungen und seitdem war er es nicht mehr losgeworden. Immer wieder wandte er schnell den Kopf, weil er meinte, im Augenwinkel etwas wahrgenommen zu haben. Aber jedes Mal sah er nur die blühende Landschaft und die darin verteilten, immer gleichen geraden Bäume. Er hatte auf jedes Platschen gelauscht, das durch das Insektensirren zu ihm drang, aber jedes Mal war es nur ein ausrutschender Mann oder ein strauchelndes Pferd gewesen. Dennoch. Er wollte heute Abend Gerder befragen, der die Nachhut bildete und der nun, da Kersted und Marken in andere Weltgegenden zogen, der einzige Mensch war, dem Felt voll und ganz vertraute.
     
    »Mach mehr Licht.«
    Gerder schüttelte das kleine Leinensäckchen und die Käfer darin begannen zu glühen. Hier aus dem Moor hatte Belendra ihre Leuchtkäfer her   – aber was in ihrem Garten magisch gewirkt hatte, war im nächtlichen Sumpfland gespenstisch. Blassgrüne Lichter tanzten wie verirrte Seelen durch die dunstige Finsternis. Jeder trug ein Säckchen als Lampe bei sich; ein Feuer machte nur der Koch, Brennmaterial war knapp, und das, was sie fanden, war feucht. Der Koch hantierte mehr oder weniger blind in Rauch und Nebel, aber was er zustande brachte, war immer noch erstaunlich.
    »Melde gehorsamst: Essensausgabe beendet, Wachen eingeteilt. Ein lahmes Packpferd, möglicherweise Ausfall. Keine weiteren Vorkommnisse.«
    »Rühren, Gerder.«
    Gerder ging auf Einladung von Felt in die Hocke   – auf dem krautigen Mooskissen war nur Platz für Felt und Wigo, der gegen einen Baumstamm gelehnt im Leuchtkäferlicht in eine Kladde kritzelte. Wigo ging ganz in seiner Rolle als Chronist auf, wobei Felt sich fragte, wo er die vielen Worte hernahm, um derart ereignislose Tage zu beschreiben. Felts Diener hatte die nassen Stiefel mit faserigem Moos ausgestopft, so würden sie wenigstens im Moment des Anziehens trocken sein. Viel mehr blieb nicht zu tun. Die Moral der Mitreisenden sank jeden Tag ein Stück tiefer ins Moor; die junge Frau, die Reva zugeteilt war, war bereits trübsinnig geworden. Denn der Unda musste man weder ein Lager bereiten noch die Kleider trocknen noch Essen bringen. Das überflüssige Mädchen würde bald von den Soldaten vereinnahmt werden, Felt würde nichts dagegen unternehmen, die Rechnung war einfach: lieber ein unglückliches Mädchen als zwanzig unzufriedene Männer. Auch Gerder würde so denken, Felt musste es nicht einmal erwähnen.
    Er streckte die Beine aus, rieb sich die Knie und kam zu Wesentlicherem: »Gerder, sag mir, ist dir heute irgendetwas aufgefallen?«
    Gerder warf einen kurzen Blick auf Wigo. Seit dem Vorfall am Posten hatten sich seine Vorurteile verfestigt, er war gegenüber jedem Pramer misstrauisch

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