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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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umzuwenden, und Kersted tat es.
     
    Auf der Empore angekommen, blickten sie zurück. Utate und Sardes standen sich gegenüber und hielten sich an den Händen.
    »Ich möchte wissen, was sie da noch zu bereden haben«, sagte Kersted. Die Eifersucht in seiner Stimme war für keinen der Wartenden zu überhören.
    Smirn trat neben ihn.
    »Sie haben sich lange Zeit nicht gesehen und dieses Wiedersehen ist zugleich ein Abschied. Utate wird nicht wiederkommen an diesen Ort. Aber nun ist sie hier. Und kann das Grab ihres Vaters noch zu dessen Lebzeiten ehren.«
    »Ihr meint«, sagte Kersted überrascht, »Sardes ist ihr Vater?«
    »Das ist er.«
    Er schwieg und schaute zu den beiden, die sich jetzt voneinander lösten und dicht hintereinander langsam über den Steg schritten.
    »Wie kann sie dann so   … gelassen sein?«, fragte Kersted. »Wie kann sie einfach über den Tod ihres Vaters hinweggehen?«
    Smirns Stimme war wie Stahl: »Wie kommst du darauf, Kersted, dass sie darüber hinweggeht? Weil sie nicht klagt? Nicht weint? Glaub mir, Utate weiß sehr wohl: Der Tod ist groß. Kein Mensch kann über ihn hinweggehen. Du bist jung. Du liebst das Leben. Pfadmeister Kersted, lerne auch den Tod lieben und lerne es schnell. Werde dir seiner wahren Größe bewusst, du wirst ihm gegenübertreten. Ich rate dir: Bereite dich beizeiten auf diesen Moment vor. Es ist die wichtigste Verabredung deines Lebens, und die willst du doch nicht verderben, oder?«

 
    ACHTES KAPITEL
LUCHER
     
    Die Gegend im Norden des Pramsees war wie von einem gut gelaunten Kind gemalt: An einem endlos blauen Lendernhimmel hingen einzelne, scharf umrissene weiße Wolken in regelmäßigen Abständen; das Land erstreckte sich gleichmäßig nach allen Seiten und war ausgelegt mit dicken Blütenkissen in Rosa, Weiß und Gelb. Zwischen den niedrigen bunten Blütenpuscheln glitzerte dunkles Wasser in der Sonne, vereinzelt wuchsen schlanke Bäume kerzengrade ins Blau. Ein Bild, über das sich jede Mutter gefreut hätte und das ihr die Gewissheit gegeben hätte, ihr Kind sei fröhlich und ausgeglichen.
    Eine Täuschung, denn hinter dieser Schönheit verbarg sich eine Moorlandschaft, die an Grausamkeit kaum zu überbieten war. Die farbigen Pflanzenkissen saßen auf harten, struppigen Polstern und um sie herum war der Boden, selbst wenn das Wasser nicht darauf stand, nass und nachgiebig wie ein vollgesogener Schwamm   – es war unmöglich, beim Gehen zwischen Huckeln und Senken in einen Rhythmus zu kommen, es war ein einziges Vertreten, Stolpern und Straucheln. An Reiten war nicht zu denken, sie mussten die Pferde führen. Die armen Tiere waren aber nicht nur verstört vom unebenen, schwankendenBoden, sie wurden auch noch ärger als die Menschen von all dem saugenden und stechenden Getier angegriffen, das die feuchtwarme Luft mit einem feindseligen Flirren anfüllte, der schrillen Stimme dieses tückischen Landes.
    Felt hatte sich längst daran gewöhnt, sie waren seit Tagen unterwegs. Er schwitzte unentwegt, Kniegelenke und Hüften schmerzten, die Stiefel waren schwer vom Wasser, die Füße darin aufgequollen und wund. Aber das war nichts, was ihn am Marschieren hätte hindern können. Er ging voraus, Belendras Richtungsweiser leistete unverzichtbaren Dienst, aber er musste immer wieder warten, bis der Rest der Gruppe aufgeschlossen hatte: weit mehr Menschen, als Felt lieb war.
    Die von Pram erhoffte Unterstützung war zur Belastung geworden. Zwanzig pramsche Soldaten, Diener für ihn und Reva sowie ein Koch mit seinen Gehilfen waren mitgeschickt worden. Zwei unternehmungslustige junge Kaufleute hatten sich ebenfalls angeschlossen. Angeblich wollten sie neue Handelswege erkunden, und vielleicht war dem auch so. In erster Linie aber waren es verwöhnte Söhne reicher Väter, die sich zu Tode langweilten und auf ein Abenteuer aus waren. Auch sie hatten eigenes Personal dabei. Außerdem war auch Wigo nicht davon abzuhalten gewesen, mit auf die Reise zu gehen. Er war der Einzige, von den Undae abgesehen, der die wahre Dimension dieser Unternehmung einzuschätzen vermochte. Während der abschließenden Besprechung vor dem Fürsten und dem Ersten Rat hatte er zwar blass und übernächtigt gewirkt, sich aber von den Mächtigen nicht beeindrucken lassen. Wigo hatte das Wort geführt, während der Fürst vor sich hin brütete, Kandor vor Machtgier und Hass brodelte und den Mitgliedern des Ersten Rats, denen übermäßiger Weinkonsum zu schaffen gemacht hatte, beinah die

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