Zwölf Wasser Zu den Anfängen
niederließen, den ausgesucht, der fähig war, sie zu führen, eine Stadt zu gründen, eine Gemeinschaft zusammenzuhalten.« Utate hob den Arm und wies auf das Rinnsal, das aus dem Fels lief. »Er hat ihn trinken lassen aus dieser Quelle und ihn bereit gemacht für die großen Aufgaben, die vor ihm lagen. Er und alle Fürsten, die ihm nachfolgten, tranken dieses Wasser und heute ist es Mendrons Durst, den es stillt. Diese Quelle gibt nur und nimmt nichts. Ganz so wie ihr Hüter.«
Sie nickte Sardes zu, der sich leicht verbeugte. Er war der Quellhüter, natürlich, darauf hätte man kommen können. Nur war er so anders als der bewegliche, beständig vor sich hin plappernde Junge.
»Sardes’ Zeit ist vorüber«, fuhr Utate fort. »Er kann abtreten. Bald schon wird er hinter den Stein gehen und in der Stille bleiben, bis der letzte Tropfen dieses Wassers hier verbraucht ist.«
Felt starrte den alten Soldaten an, der gelassen Utates Worten folgte.
»Wenn die Quelle versiegt, stirbt auch ihr Hüter«, sagte Marken, die Stimme belegt, ebenfalls mit Blick auf Sardes.
Der nickte zustimmend. Sein bevorstehender Tod schien ihn nicht zu bekümmern, was Marken ermutigte weiterzusprechen: »… und somit gebt Ihr gewissermaßen einen Platz frei, es kann etwas Neues entstehen … Ist das so? Ist das der Wandel? Ist das die Zukunft, die Ihr meintet?«
»Genau so habe ich es gemeint«, sagte Sardes. »Meine Aufgabe war es, zu bewahren und zu geben. Ich kann nichts nehmen, niemals. Ich kann dem Neuen nicht die Möglichkeit nehmen zu wachsen.«
»Ihr wart es, der Pram groß gemacht hat«, sagte Kersted. Und nun war Prams Aufstieg vorüber, dachte Felt. Der Schild brach.
Sardes lachte leise. Es hörte sich an wie ein Stein, der einen felsigen Abhang hinunterrollt.
»Zu viel der Ehre«, sagte er.
»Erlaubt, dass ich Euch widerspreche«, sagte Kersted, »vorausgesetzt, ich habe alles soweit richtig verstanden. Pram wäre ohne Euer Zutun heute nicht das, was es ist.«
Sardes senkte den Kopf, aber Felt hatte einen Schmerz über das zerklüftete Gesicht huschen sehen. Dies war keine Geste der Bescheidenheit, sondern der Scham. Der alte Mann hatte viel von sich preisgegeben, er hatte sie sogar seinen eigenen Tod sehen lassen – aber es gab etwas, das er zurückhielt. Etwas, das ihn weit mehr bedrückte als sein eigener Tod.
»Diese Quelle stirbt seit über hundert Soldern«, sagte Smirn. »Und auch wenn sich die Welt beständig wandelt, ist es kein Moment des Glücks, ein Quellsterben zu sehen. Das war es nie. Das kann es niemals sein. Es ist ein Moment des Umbruchs, nicht mehr und nicht weniger. Wohin das Neue geht, ob der Verlust des Alten schmerzt, das wird die Zukunft zeigen.«
Den letzten Satz hatte sie direkt an Felt gerichtet. Es war das erste Mal, dass er die Undae nicht als Einheit wahrnahm, als von einem gemeinsamen Wissen, von einer gemeinsamen Haltung getragen. Smirn war die Schweigsamste der drei. Vielleicht nicht nur, weil das ihre Natur war. Sondern vielleicht auch, weil sie die Meinung der anderen nicht immer teilte. Die Selbstverständlichkeit, mit der eben noch über den Tod gesprochen worden war, hatte sich in Smirns Worten aufgelöst. Dass die Quelle starb, dass Sardes starb, war nichts Gutes.
Felt spürte die Trauer über den Tod dieses großen alten Mannes in sich aufsteigen. Sardes hatte sich in den Dienst der Menschen von Pram und ihrer Fürsten gestellt. Mit ihm würde die Selbstlosigkeit den Kontinent verlassen. Dem Eigennutz,der Gier stand nichts mehr im Wege. Sardes fiel und Kandor hatte freie Bahn. Es war ein Verlust, einer, der schmerzte. Wie groß würde der Schmerz erst sein, wenn mehr Quellen versiegten, wenn mehr Quellhüter starben.
Menschlichkeit versiegt und Bitternis steigt auf in den Seelen, dunkel und schwer.
Sie alle würden erdrückt werden von dieser dunklen, schweren Last. Nichts und niemand könnte das mehr ertragen.
»Der Fürst erwartet uns«, murmelte Sardes ins finstere Schweigen, und als er den Kopf wieder hob, hatte militärische Strenge seine Züge erstarren lassen. Die Welsen verstanden unmittelbar, dass diese Unterhaltung beendet war.
»Wir warten oben«, sagte Smirn mit Blick auf Utate. Sie ging voraus auf den steinernen Steg, Reva folgte ihr und so schlossen auch Marken und Felt sich an. Kersted zögerte, denn Utate machte keine Anstalten, die Plattform unter der Quelle zu verlassen, und auch Sardes blieb.
»Komm mit uns«, sagte Smirn im Gehen, ohne sich
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