Zwölf Wasser Zu den Anfängen
wollen unser Geld nicht«, sagte Marken, »sie schenken uns das alles. Die jungen Burschen, die Söhne des Schäfers, sind schon unterwegs, Pferde kaufen.«
»Wie kann das sein?«
»Pramer ist wohl nicht gleich Pramer. Die Stadt zieht alle möglichen Leute an und so, wie ich das verstanden habe,kommt der Schäfer ursprünglich irgendwo aus dem Westen, von einem Stamm, von dem ich noch nie gehört habe. Er hat nichts gegen uns Welsen. Im Gegenteil, er ist vollkommen aus dem Häuschen, weil wir ihm die Hohen Frauen vorbeigebracht haben.«
»Er verehrt sie also«, sagte Felt und ließ den Eimer in den Brunnen hinab.
»Und wie«, sagte Kersted. Er hatte sich ein blaues Hemd übergezogen, das an den Ärmeln und am Rücken deutlich zu kurz war, und machte sich daran, seine Waffe zu reinigen.
»Ich kann dir nicht sagen, was genau die Undae gemacht haben, während wir außer Gefecht gesetzt waren«, fuhr Marken fort, »aber seitdem ich auf den Beinen bin, tränken sie die Tiere – jedes einzelne Schaf trinkt ihnen aus der Hand.«
Felt seufzte und begann sich zu rasieren. Er zog die Lippen über die Zähne und schabte mit dem Messer über sein Gesicht, das, wie er nach dem Waschen festgestellt hatte, immer noch dasselbe war.
Einer der Söhne des Schäfers, ein junger, hoch aufgeschossener Mann von vielleicht sechzehn Soldern, führte sie. Gute Pferde hatte er ihnen besorgt, für die der Schäfer nicht bezahlt werden wollte. Felt war das nicht recht, er wollte wenigstens etwas bezahlen, um sich nicht vollends wie ein Bettler zu fühlen, aber der Mann ließ sich nicht darauf ein und so tröstete sich Felt mit dem Gedanken, dass das, was auch immer die Undae getan hatten, von höherem Wert war als neun Pferde und ein paar Kleidungsstücke.
Während ihrer nächtlichen Irrwege waren die Welsen vom Ufer des Eldrons weit nach Westen in den Wald eingedrungen und südwestlich von Pram wieder herausgekommen – jetzt mussten sie durch die Vorstadt. Bosre, die Holzfällerstadt im Süden,wuchs entlang der Handelsstraße mit Pram zusammen und hier schien jeder zu bauen, so gut er eben konnte. Es gab zwar befestigte Wege, die einen offiziellen Eindruck machten, aber ebenso viele Trampelpfade. Hier wurde ein Graben ausgehoben, während dort Steine aufgeschichtet lagen. Ein altes Gehöft, nicht unähnlich dem des Schäfers, grenzte an einen Streifen Brachland, auf dem Zelte standen und der Wald gerodet war. An einer Wegkreuzung lehnten sich drei Holzhäuser an ein gemauertes, dreistöckiges Gebäude, dann riss die Häuserzeile ab und auf der Wiese daneben spielten Kinder. Einige trugen schwarze Hemden und rote Mützen und das Spiel bestand darin, die Rotmützen in den Dreck zu schubsen. An einem Brunnen standen Frauen Schlange und ein Händler versuchte, den Wartenden Kerzen zu verkaufen. Überall waren Menschen mit allem Möglichen beschäftigt und keiner nahm groß Notiz von ihnen. Nur drei schwarz gekleidete Jugendliche, die gerade einen Holzstapel am Wegesrand errichteten, johlten, als die Welsen in ihren schwarzen Rüstungen über bunten Schäferkleidern vorbeiritten. Der Schäferssohn rief ihnen etwas zu, das sie verstummen ließ, drehte sich im Sattel um und sagte: »Kremlid.« Dann legte er zwei Finger gegen die Stirn und machte sich auf den Heimweg.
»Ich wusste nicht, dass Kremlid so groß gefeiert wird in Pram«, sagte Marken. »Habt ihr diese Verkleidungen gesehen?«
»Ja«, sagte Felt. »Hat jemand eine Ahnung, was das soll?«
»Ich nicht«, sagte Kersted, »aber man könnte meinen, man wär zu Hause.«
Marken schnaubte: »Also, wenn das Welsenrüstungen sein sollen, dann bin ich die längste Zeit Waffenmeister gewesen.«
Als sie von gleichgültig wirkenden Wachen durchs Stadttor gewunken wurden, sagte Kersted: »Ist es zu fassen? Am Uferpostensetzen sie uns fest, aber in die Stadt werden wir ohne Weiteres eingelassen.«
Aber er irrte sich. Sie waren kaum auf den Platz geritten, zu dem sich die Straße hinter der nicht einmal drei Mann hohen Stadtmauer verbreiterte, als sie von zwei Berittenen in weißen Uniformen gestoppt wurden.
Marken grüßte.
»Es ist mir eine Ehre, Eure Bekanntschaft zu machen«, sagte er ruhig, »wer auch immer Ihr seid. Wir wären Euch sehr verbunden, wenn Ihr Eurem Fürsten Meldung machen könntet, dass die Hohen Frauen ihm etwas mitzuteilen haben. Wir sind hierhergekommen…«
Ein kurzes Hornsignal unterbrach Markens Rede. Auch am Tor hatte man inzwischen mitbekommen,
Weitere Kostenlose Bücher