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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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noch niemals ein solches Schauspiel an einem solchen Ort gesehen.
     
    Wigo hatte ihn schnellen Schrittes über den Platz ins Theater geführt, das fast ebenso groß wie der Herrscherpalast war. Sie waren durch die weitläufige Eingangshalle gehetzt, die bis auf einige andere Eilende leer war. Fünf große Deckenleuchter streuten ein magisches Licht, jeder trug auf vier Ringen mehr als hundert Kerzen und war mit unzähligen geschliffenen Obsidianplättchen behängt, welche die Kerzenflammen spiegelten und vervielfältigten. Wigo und Felt waren mit Teppich belegte Treppen hochgelaufen, einen Gang entlanggerannt   – die Türen wurden bereits geschlossen   – und hatten an dessen Ende noch eine gewundene, steile Steintreppe erklommen, die in einem kleinen Absatz vor einer Tür endete. Dort hatten sie einen Moment schwer atmend nah nebeneinander gestanden, dann hatte Wigo den Finger auf die Lippen gelegt und die Tür geöffnet.
    Im dämmrigen Halbrund des ansteigenden Zuschauerraums saßen an die tausend Menschen. Alles Licht kam vonder Bühne, an deren Rampe Fackeln brannten, die von bronzenen Schilden zum Saal hin abgeschirmt wurden. Die Loge, die Wigo und Felt betreten hatten, bot zehn Zuschauern Platz und war in Bühnennähe. In vier Etagen zogen sich die Reihen der Balkone rund um den Zuschauerraum   – hier fanden noch einmal fünfhundert Menschen Platz. Die große Loge des Fürsten war beleuchtet und bot beste Sicht auf die Bühne. Sein Sessel, eine kleinere Variante seines Throns, war noch leer gewesen, als Felt und Wigo ihre Plätze eingenommen hatten. Die anderen Logengäste hatten Felt stumm taxiert und dem Übersetzer freundlich zugenickt, ein Mann klopfte ihm die Schulter, eine Dame hob ihr Glas, sie hatte wie alle anderen ein kleines Tablett auf dem Schoß, auf dem sich Häppchen türmten.
    »Dazu waren wir leider zu spät«, hatte Wigo leise gesagt, »aber das ficht einen echten Welsen ja nicht an, oder?«
    Felt hatte nichts geantwortet, denn Mendron war in seine Loge getreten, alle Zuschauer hatten sich erhoben und das Kinn auf die Brust gesenkt. Als sie sich auf seinen Befehl hin wieder niederließen, hatte Wigo gesagt: »So was gibt’s nur im Theater. Sitzen in Anwesenheit des Fürsten.«
    Dann hatte Musik eingesetzt und die Schauspieler waren aus der Kulisse getreten.
     
    Deklamierend gingen sie nun vor einer Bühnenwand auf und ab, die Ähnlichkeit mit der Palastfront hatte. Nur dass es hier keine Tore gab   – das große Mittelportal und die zwei kleineren Durchgänge gaben den Blick frei auf eine dahinterliegende Bühnenstadt. Felt war fasziniert von der Kunst der Baumeister und Maler, denn es sah so aus, als würde sich die Stadt hinter den Durchgängen bis zum Horizont erstrecken, sogar ein Streifen Himmel war zu sehen und ganz in der Ferne das Ufer des Sees.
    Asing war als Segurin in Grau gekleidet, aber das Kostümhatte bis auf die Farbe wenig mit den Gewändern der echten Seguren gemein, die Felt heute kennengelernt hatte. Es war ärmellos, schimmerte im Fackellicht, und wenn sich die Schauspielerin bewegte, zeichnete sich ihr Körper verführerisch unter dem hauchdünnen Stoff ab. Auch Palmon war weit aufwändiger gewandet als der echte Fürst. Der Schauspieler trug eine auf Hochglanz polierte, bronzene Rüstung, die Felt an die von Sardes erinnerte. Gerade fand ein Szenenwechsel statt; Fürst Palmon und Asing traten zwischen die Durchgänge zurück und drei in Weiß gekleidete Knaben stellten farbige Glasscheiben vor die Fackeln, sodass das Szenenbild sich rot einfärbte. Die Musiker, die unsichtbar in der Kulisse saßen, begleiteten dies mit Trommelschlägen und beinahe schmerzhaft disharmonischem Flötenspiel. Ein Schauspieler mit einer flammend roten Perücke trat auf. Er trug eine schwarze Rüstung und ein übergroßes Schwert in beiden Fäusten vor sich her, was ihm zugleich ein kriegerisches und lächerliches Aussehen verlieh. Das musste Farsten sein, der Welsenkönig. Er sprach die Zuschauer direkt an:
     
    Was wollt ihr denn, ihr Maden, wollt ihr euch
    mir widersetzen? Seid ihr derart blind?
    Seht ihr nicht meine Herrlichkeit und meine
    Macht?   –
     
    Das Publikum lachte und buhte und übertönte den Schauspieler, der mit seinem Schwert herumfuchtelte.
    »Ist das furchtbar!«, murmelte Wigo. »Felt, kommt, das geht jetzt noch ewig so weiter mit Rede und Gegenrede. Ich schwöre Euch, es wird nicht einmal gekämpft, nur mit Worten. Lasst uns was trinken gehen   – ich

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