Zwölf Wasser Zu den Anfängen
erzähle Euch die Geschichte, wenn Ihr unbedingt wollt.«
Vereinzelt flogen Essensreste auf die Bühne, was den Schauspieler nicht zu stören schien, er stolzierte auf und ab und gab den Tyrannen. Felt war sich nicht mehr so sicher, ob er sich das ansehen wollte.
»Ich kenne die Geschichte«, sagte er stur.
Er wollte ungern zugeben, dass ihn diese Darstellung Farstens verletzte.
»Natürlich, jeder kennt die Geschichte. Oder glaubt es wenigstens. Aber ich kann Euch die
wahre
Geschichte erzählen, nicht diese Volksverdummung dort.« Wigo grinste und seine blauen Augen glänzten.
»Also gut, lasst uns etwas trinken«, sagte Felt.
»Endlich nimmt er Vernunft an«, sagte Wigo, zog Felt hinaus auf den engen Flur hinter den Logen und drehte den Türknopf. »Ich verdurste! Ich bin kein Welse, vergesst das nicht, ich kann anderen nicht gut beim Trinken zusehen.«
Zusammen stiegen sie die schmale, gewundene Treppen hinab, folgten Gängen, schlüpften mehrfach durch hinter Vorhängen verborgene Durchlässe, gingen noch mehr Treppen hinab und gelangten schließlich an eine grob gezimmerte Holztür.
»Das war eine gute Entscheidung, Felt«, sagte Wigo und öffnete die Tür. »Das Stück ist schlecht, die Verse holpern wie Karren auf einer schadhaften Straße durch die Geschichte. Da hinten in der Nische ist was frei.«
Sie traten in ein niedriges Gewölbe, anscheinend waren sie in einem Kellerraum unter dem Festspielhaus. Felt sah kwothische und welsische Soldaten an Holztischen sitzen, reden und trinken, Helme und Waffen achtlos auf den gestampften Lehmboden geworfen. Eine Gruppe von Frauen und Mädchen mit verrußten Gesichtern und in zerfetzen Kleidern, die kaum die Brüste bedeckten, kam ihnen entgegen. Sie grüßten Wigo und warfen Felt neugierige Blicke zu.
»Husch, husch!«, machte Wigo und gab einer einen Klaps aufs Hinterteil. Die Frauen quietschten und lachten. Felt begriff: Hier hielten sich die Schauspieler auf, während sie auf ihre Auftritte warteten. Kein schlechter Ort, um sich mit einem echten Welsen zu unterhalten – Felt ging einfach als Darsteller durch. Sie setzten sich.
»Wie mich dieses Kremlidtheater anwidert«, sagte Wigo und gab dem Wirt ein Zeichen. »Wusstet Ihr, dass jede Kremlid ein anderer Autor das Stück schreiben darf? Eine Art Auszeichnung. Die Geschichte bleibt selbstverständlich immer dieselbe. Seid froh, dass Ihr es nicht weiter mit anhören musstet.«
»Was ich hören konnte, fand ich nicht so schlecht«, sagte Felt, der sich immer noch etwas um seinen ersten Theaterabend betrogen fühlte.
»Es ist schlecht, der Autor ist ein Stümper, glaubt mir, ich kann das beurteilen.« Wigo unterbrach sich, als der Wirt an den Tisch trat und zwei Krüge vor sie hinstellte.
»Und, wie läuft’s?«, fragte er.
»Bestens, bestens«, sagte Wigo und wandte sich wieder an Felt: »Der Autor bedient lediglich die niederen Gelüste des Publikums.«
»So?«, machte Felt.
»Ja. Ich sage Euch: Er hat sein Machwerk an einem Tag zusammengestoppelt.«
»Woher wollt Ihr das wissen?«, fragte Felt.
»Weil ich der Autor bin. Trinken wir auf die Wahrheit!«
Felt nahm einen Schluck vom schweren pramschen Wein, er musste vorsichtig sein, er war das Trinken nicht gewohnt. Und auch wenn Wigo noch so freundschaftlich tat, er war ein heller Kopf, da war es besser, auf der Hut zu sein.
»Sagt mir, Welse, was wisst Ihr von unserer Geschichte?«, fragte Wigo.
»König Farsten hat Pram den Krieg erklärt und die Allianz hat Welsien vernichtet«, sagte Felt. Wigo lachte laut auf.
»Das ist«, sagte er, »die knappste Version, die ich je gehört habe! Ihr macht nicht viele Worte, nicht wahr? Das gefällt mir, das gefällt mir wirklich. Die Worte sind meine Sache, wollt Ihr meine Version hören?«
»Nur zu«, sagte Felt und lehnte sich zurück.
»Also gut«, begann Wigo und nahm noch einen kräftigen Schluck, »fangen wir an in der Zeit vor der Schlacht, um ein paar Fakten zu klären. Erst einmal: Allen ging es bestens. Pram hatte sich vom ehemaligen Fischerdorf zum wichtigsten Handelszentrum der bekannten Welt entwickelt. Die sumpfigen Ufer des Eldrons waren sehr fruchtbar, im See wimmelte es von Fischen und das Bündnis mit Bosre, der Holzfällerstadt flussabwärts, erwies sich für beide Seiten als vorteilhaft. Ja, Bosre war damals noch eine freie Stadt und nicht das Südquartier von Pram. Auch am Ostufer herrschte eitel Sonnenschein – Welsien hatte sich zur Großmacht aufgeschwungen. Solder um
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