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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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sie noch nicht entzündet hatten. Felt blieb stehen.
    »So spät noch unterwegs?«, fragte er.
    »Ich grüße Euch, Wachmeister«, sagte der Mann. »DieMutter hat Not mit der Luft, sie möchte   … noch ein wenig in den Wind.« Er lächelte verlegen.
    »Dass sie sich nur nicht verkühlt«, sagte Felt freundlich an die alte Frau gewandt, »die Sonne sinkt bald in die Berge.«
    Die Alte sah mit trüben Augen in Felts Richtung und lächelte ein zahnloses Lächeln.
    »Ach, seid unbesorgt«, nuschelte sie, »mich kümmert die Sonne nicht.«
    »Wir könnten unseren Gang auch auf morgen verschieben«, sagte der Mann und senkte den Blick.
    Die Alte gab einen zischenden Laut von sich.
    »Willst du immer noch trotzig sein?« Zu Felt sagte sie: »Nehmt es ihm nicht übel. Er hat ja nur eine Mutter.«
    Felt ahnte, um was es hier ging.
    »Dann geht ihr also zu den Undae?«
    Der Mann nickte kurz und schaute weiter auf den Boden, um zu verbergen, dass seine Augen sich mit Tränen gefüllt hatten.
    »Könnt Ihr mir sagen, ob der Pfad wieder frei ist?«, fragte er in den Schnee und es war deutlich zu hören, dass er auf ein Nein als Antwort hoffte.
    Felt musste ihn enttäuschen. Kersted hatte alle seine Männer antreten lassen und Felt hatte gesehen, wie der Pfadmeister wieder mit ihnen aus der Stadt geritten war, nachdem er den Toten der Familie übergeben hatte.
    »Ich bin mir sicher, dass der Pfad inzwischen wieder frei ist«, sagte er deshalb und fügte mit einer Verbeugung an: »Eine sichere Reise.«
    Die alte Frau lächelte wieder und einen Moment lang trafen ihre blinden Augen die seinen, dann schwammen sie wieder in die Finsternis. Sie zog ihren Sohn am Ärmel und trippelte über den vereisten Schnee. Die Nacht wäre alt, bevor sie die Grotte erreichten.
    »Hat er sich verbeugt?«, hörte Felt sie fragen.
    »Ja doch, Mutter«, antwortete der Sohn und die Alte grunzte zufrieden. Felt sah den beiden nach, bis sie im Schatten des Torwegs verschwanden, dann ging auch er weiter. Es war nicht ungewöhnlich, dass ein alter Mensch den mühsamen Abstieg auf sich nahm; es gab keinen besseren Ort zum Sterben als die stille Grotte der Undae.
     
    »Dann wirst du also dieses Mal wieder mit dem Treck ziehen?«, fragte Estrid und reichte Felt einen Becher Gansetee. Der aromatische Kräuteraufguss war das Nationalgetränk der Welsen, und wenn man daran glaubte, betäubte er den Hunger.
    »Ich habe darüber nachgedacht«, gab Felt zu.
    Estrid setzte sich neben ihn auf die warmen Steine des gemauerten Ofens.
    »Was meinst du?«
    »Ich meine«, sagte Estrid, »dass dein Entschluss bereits feststeht.«
    »Ich gehe nicht, wenn du es nicht willst. Ich kann den Hauptmann bitten, mich noch ein weiteres Solder freizustellen.«
    »Wozu? Ristra geht es gut und Strem hat die dicksten Backen, die ich je bei einem kleinen Jungen gesehen habe   – ich traue mich kaum mit ihm auf die Straße, die Leute denken, ich würde schwarz handeln.«
    Sie lächelte. Wenn sie wollte, konnte sie einem mit wenigen Worten jede Last von den Schultern nehmen. Während der letzten Soldern war Felt in Goradt geblieben. Erst war Ristra kränklich gewesen und sie waren in Sorge, dann war Estrid wieder schwanger geworden und er wollte sie nicht allein lassen. Aber dieses Solder war er in der Pflicht, den Treck zu begleiten, und wenn er ehrlich war, wollte er es auch. Felt war ein geduldiger Mann, seine grauen Augen blickten demütig auf diesteinerne Welt, die ihn umgab   – aber sie sehnten sich danach, über die Weiden von Pram zu schweifen. Eine Sehnsucht, die er unterdrücken konnte, mit Leichtigkeit, denn alles wurde bedeutungslos neben Estrids rauer Schönheit, ihrer sehnigen Anmut und Kraft. Er würde sie vermissen, kaum dass er durchs Stadttor wäre. Aber er nickte und damit war es beschlossene Sache, er würde gehen. Er lehnte den Kopf an Estrids knochige Schulter, schloss die Lider und lauschte auf Ristras Kinderschnarchen, das aus der Schlafkammer drang.
    »Ich habe heute Remled getroffen«, sagte Felt.
    »So?«, machte Estrid.
    »Ja. Ich war in der Marded«, fügte er unnötigerweise hinzu, denn Estrid wusste nur zu gut, dass Felt die Werkstätten mied und nirgendwo sonst als in der Rüstkammer hätte auf den Bruder treffen können.
    »Sie haben einen neuen Stahl gefunden.« Er dachte nicht daran, seiner Frau etwas zu verschweigen. »Mein Schwert ist zerbrochen wie Schiefer, mit einem Hieb.«
    »Ist das wahr?«
    Estrid richtete sich auf und Felt bereute, denn

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