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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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erreichen, brauchen sie Kohlen, viele Kohlen. Dennoch, lass das meine Sorge sein. Ich verspreche: Die Feuer auf dem Wall werden brennen. Es wird nicht wieder vorkommen.«
    »Angenommen«, sagte Felt ernst, um dann anzufügen: »Unter der Bedingung, dass ich das erste der neuen Schwerter bekomme.«
    »Abgemacht.« Marken hieb die Speerspitze in die Steinstufen. Sie blieb stecken. »Nimm dir derweil eins von dahinten. Die sind für uns, nicht für Pram.«
    Felt zog ein Schwert aus einem Korb und wog es in der Hand. Es war gut ausbalanciert und er hatte das Gefühl, es sei eigens für ihn gefertigt worden   – ein Gefühl, das er auch bei jedem anderen Schwert aus diesem Korb gehabt hätte. Die Schmiede kannten die Vorlieben der Soldaten. Die Welsen handelten, bis auf wenige Ausnahmen, nur die Klingen, denn darauf kam es an bei einem Schwert, die Griffe montierten die Abnehmerselbst. Felt besah sich das Schwert, es war eine schlichte und höchst zweckmäßige Waffe. Er schlug gegen den Knauf, die Klinge vibrierte, aber die Schwingung war kaum spürbar in der Hand, die den lederumwickelten Griff hielt. Er umfasste ihn mit der zweiten Hand, sodass der tropfenförmige Knauf in der Handfläche lag, und lehnte die Klinge gegen die rechte Schulter. Ein Schritt, ein schneller Hieb nach links unten. Als wolle er einen Gegner vom Halsansatz über den Brustkorb bis zum unteren Rippenbogen von seinem Oberkörper befreien. Ja, das Gewicht der Waffe war gerade richtig, leicht genug für kontrollierte, kraftvolle Hiebe und doch so schwer, dass ein Hieb auch Wirkung zeigen konnte. Ein echtes Welsenschwert: schwarz, glänzend, scharf   – aber so jungfräulich es auch war, es war schon veraltet. Wer konnte das ahnen.
     
    Der Beginn einer neuen Ära? Auf dem Heimweg war Felt tief in Gedanken versunken. Wieder stand die Sonne niedrig, aber nun war der Tag alt und die Schatten wurden scharf. In den Häusern wurden die Lampen angezündet, aber das Licht war zu schwach. Kein goldener Schimmer malte sich auf das Pflaster der Gassen. Denn hier lag Schnee; kalt und hellblau und gnadenlos überstrahlte er im klaren Abendlicht den Schein der Lampen. Sosehr sie sich auch wehrten, sosehr sie sich gegen das Schicksal stemmten, die Welsen waren zu schwach geworden, um in dieser Welt einen Eindruck zu hinterlassen. In der Zeit davor, in der Zeit vor der großen Feuerschlacht, war es anders gewesen, aber das war Geschichte. Sie waren tief gefallen. Hell hatte der Stern der Welsen gestrahlt, und als er noch heller wurde, heller als die Sonne am Mittag, war er verglüht. Wie viel Mann hatte Felt gestern beim Appell gezählt? Keine zweihundert hatte er mehr unter sich bei der Wache. Und die, die antreten konnten, waren mager, krank und fußlahm. Lange hatte erim Kasten die Steine hin und her schieben müssen, bis er einen Dienstplan zusammenhatte. Und morgen würde er einen neuen machen müssen und es würde so lange schwierig sein und immer schwieriger werden, bis es unmöglich wäre.
    Wie lange konnte ein Volk ohne Land überleben? Ein Volk ohne Erde und ohne König? Länger, als man denkt. Felt musste lächeln, er dachte an Ristra, an die weichen, warmen Kinderarme um seinen Hals, und er wusste: Es hat alles einen Sinn. Und den brauchte man nicht lange suchen. Der Sinn ihres Lebens am Berg war das Leben selbst. Wirklich klar geworden war ihm das damals, vor sieben Soldern, als er das noch blutverklebte neue Leben in seinen Armen hielt und sich von ihm anschreien ließ. Das war seine Tochter, und sie hatte Kraft. Eine Urkraft, die aus dem winzigen, zahnlosen Mund herausbrach und die Sinnfrage einfach niederbrüllte. Das konnte man dem jungen Pfadmeister nicht erklären. Das musste er selbst erleben. Lange konnte das nicht mehr dauern, denn es war nicht nur Kersteds grundsätzliche Lebensliebe, gegen die er nicht ankonnte und die immer wieder zu ihm zurückkam   – es waren die Mädchen, die Kersteds blaue Augen sahen, seine weißen Zähne und die erstaunlich glatten, hellbraunen Haare. Kersted war noch jung genug, um zu glauben, dass er Zeit hatte, dass er auswählen konnte. Aber Felt war sich sicher, dass unter den vielen, die für den Pfadmeister schwärmten, die eine war, deren Blick tiefer ging. Und wenn sie sich entscheiden würde, auf ihn zuzugehen, dann wäre auch für Kersted der Zweifel Vergangenheit.
    Ein Mann trat aus einem Haus und half einer alten Frau auf die Gasse. Beide waren eingewickelt in wollene Tücher und trugen Lampen, die

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