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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
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den nackten, gebeugten Rücken. Es dauerte einen Augenblick, dann füllten sich die Striemen mit Blut.
    »Schlagt ihn nur, quält ihn«, sagte die Unda mit dunkler Stimme und das Grinsen auf den schweißglänzenden Gesichtern der Dhurmmets gefror.
    »Schlagt ihn, quält ihn«, wiederholte sie und sah auf ihre Hände, zwischen denen ein weißes Licht glomm. »Aber ihn zu brechen wird euch nicht gelingen. Ihr unterschätzt seinen Willen. Ihr kennt die Welsen nicht, ihr kennt nichts mehr von der Welt, denn ihr seid verblendet.«
    Nur der mutigste der Dhurmmets lachte verächtlich auf. Aber weder er noch die anderen schlugen oder traten an jenem Tag nach Marken. Smirn ritt mit geschlossenen Augen. Und glaubte mit der ganzen Hoffnung, die Marken ihr geschenkt hatte,an den Lebenswillen dieses Welsen, der sich doch seit Soldern nach nichts so sehr sehnte wie nach dem Tod.
2
    Marken konnte keine Tage mehr zählen, denn er konnte nicht mehr denken, und für Smirn waren solche Zeitspannen bedeutungslos. Sie waren schon weit im Norden gewesen, hätten den Naryn bald erreicht, aber nun ging es über Zehnen hinweg wieder südwärts gen Jirdh. Inzwischen wurden sie von mehr als dreißig Dhurmmets und ebenso vielen ergebenen Söhnen eskortiert   – das hügelige Gelände ganz im Osten von Dhermjet-Dhe , wie Nord-Kwothien auch genannt wurde, war unübersichtlich und wie geschaffen für einen Hinterhalt.
    Sie hatten es zwei Mal versucht.
    Zwei Mal hatten Trupps der Freien Söhne sich todesmutig auf die dämonischen Entführer gestürzt und die unüberlegten Aktionen mit dem Leben bezahlt. Marken bekam von alldem nichts mit; ein fernes Grollen, ein schmerzhaftes Durchrütteln, mehr drang nicht in sein Bewusstsein. Er starb. Noch schlug sein Herz und pumpte mit derselben sturen Unverdrossenheit das Blut durch seinen Körper, wie es das schon immer getan hatte. Es war die Sturheit dieses Herzens, die Marken am Leben hielt; er selbst hatte längst keine Entscheidungsgewalt mehr darüber.
    Smirn konnte nicht mehr tun, als alle Gedanken und Begehrlichkeiten so weit wie möglich von sich fernzuhalten. Aber Dhurmmets waren keine Menschen mehr und weit weniger leicht zu beeinflussen. Selbst der stärkste menschliche Geist war hilflos wie ein kleines Kind, wenn eine Unda sich ihm näherte. Die Hohen Frauen taten es so selten wie möglich und wenn, dann nur behutsam. Denn wie kleine Kinder durch strenge Zurechtweisung oder Gewalt verängstigt werden, so wurde der menschliche Geist durch die Beeinflussung einer Unda erschüttert. Ja, der menschliche Geist war zerbrechlich   – aber würde man einem Kind vorwerfen, klein zu sein? Sich nicht mit bloßen Händen gegen ein Schwert wehren zu können? Eher würde sich die Mutter dem Schwert entgegenstellen, als ihrem Kind seine Hilflosigkeit anzulasten. Die Undae sahen die Schwächen der Menschen, aber sie liebten und schützten sie. Und wie die Mutter wussten sie sehr wohl, dass aus einem kleinen Kind ein großer Mann werden konnte.
    Wären es Menschen gewesen, die Smirn und Marken verschleppten, die Unda hätte sich in Vergessenheit bringen können. Sie wäre unscheinbar geworden, unwichtig, und hätte im Denken der Menschen schließlich nicht mehr Platz eingenommen als ein Nebelstreif, der sich verzieht, wenn der Tag mit seiner Geschäftigkeit daherkommt. So aber blieben den ganzen Tag über Augen auf Smirn gerichtet und nachts, wenn sie den Feuerschein einfingen, leuchteten diese Augen wie die von Raubtieren. Die Unda wurde nicht vergessen und konnte wenig für Marken tun. Das Einzige, was ihr gelang, war eine Botschaft zu versenden.
3
    Arghad würde sich bis an sein Lebensende an das kalte, helle Licht erinnern, in das die schreckliche Szene getaucht war. Es hatte ein Handstreich werden sollen und es wurde ein Vernichtungsschlag für seinen Trupp. Sie waren so leise gewesen, so vorsichtig   – wie hatten diese Dämonen sie bemerken können? Nachts, wo sie doch schliefen und nur wenige Wachen aufgestellt hatten?
    Später erzählte Arghad, dass er glaube, die Dhurmmets hätten sie gewittert . Aber als er in den Büschen lag und einem unerklärlichen Gefühl folgend nicht mit den anderen hervorbrach, um sich auf die Schlafenden zu stürzen, da war er überrascht und entsetzt, wie gründlich der Überfall misslang. Er hörte das furchtbare Krachen, mit dem Brustschilde von Äxten gespalten wurden. Er sah das Blut zwei Mann hoch aus dem Hals eines Kameraden schießen.
    Und er sah die Unda, die

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