Zwölf Wasser
brachte kaum mehr als ein heiseres Flüstern zustande, auf das er keine Antwort erhielt.
Aber sein Bewacher hatte es gehört, beugte sich über Marken. Er stank nach dampfendem Schweiß und die Hitze, die er abstrahlte, war kaum zu ertragen. Der Dhurmmet gab heisere Laute von sich, von irgendwoher drang so etwas wie ein Lachenan Markens schmerztaube Ohren. Sie hatten also alle Freien Söhne getötet, ihnen die Köpfe abgeschlagen und ihn gefangen genommen. Sie demütigten ihn, sie hatten ihm die Hände auf den Rücken gefesselt. Nichts hätte Marken gleichgültiger sein können.
Aber was war mit der Unda?
»Smirn!« Er krächzte, richtete sich auf, so gut es ging, brüllte dann wie ein Tier: » Smirn! «
Ein Fausthieb traf ihn ins Gesicht und Marken fiel wieder in die Dunkelheit.
War das Blut oder Speichel, was ihm da aus dem Mund lief? Dunkle Flecken im Staub, einer, noch einer. Die Sonne brannte ihm in den Nacken, man hatte ihn quer auf ein Pferd gebunden wie einen Sack. Das Schaukeln machte Marken schwindelig, er würgte, spuckte. Er bemerkte: Sie folgten einer Straße, der staubige Grund war relativ eben. Smirn?
Er drehte den Kopf, so weit er konnte. Aber Marken sah nur die Schenkel von Pferden, Hufe, Bäuche und Gurte, Stiefel. Einer trat nach ihm und Marken sah nichts mehr.
Er wachte auf, weil er fror. Kurz glaubte er, zu Hause zu sein, am Berg. Er lag auf dem Boden und dieser Boden war kalt. Dann spürte Marken, dass seine Hände gefesselt waren, und ihm fiel ein, dass er nicht zu Hause war. Sondern unter Dämonen. Was hatten sie Smirn angetan? Marken hatte keine Vorstellung davon. Schon einmal hatte er geglaubt, sie sei tot.
Seltsamerweise konnte er es nun nicht glauben. Vielleicht weil er selbst dabei war zu sterben?
Der Boden erbebte, Hufschlag, raue Stimmen. Marken wollte sich ganz auf seinen Tod konzentrieren, aber da war immer noch ein Rest Soldat in ihm. Dieser Soldat dachte: Der Trupp,der uns aufgegriffen hat, ist auf einen anderen getroffen. Wir werden irgendwohin gebracht. Nach Jirdh?
Dass der Soldat wir gedacht hatte, ließ Marken aufhorchen. Also waren alle Teile seiner selbst davon überzeugt, dass die Unda am Leben war. Sie war um ein Vielfaches wertvoller als er, und wenn sie sich schon mit ihm abschleppten, wieso sollten sie die Hohe Frau dann umbringen?
War das nicht der Beweis, dass sie noch lebte? War das nicht ganz und gar schlüssig?
Ja, mag sein.
Was hast du denn?
Ich muss weg … ich kann nicht mehr bleiben. Es tut mir leid.
Was soll das heißen: Ich muss weg ? Du darfst nicht gehen, nicht jetzt.
Marken antwortete seinem zweiten Selbst nicht mehr und ging unbeirrt weiter. Er war auf dem Weg in die andere Welt und ein einzelner Soldat konnte ihn nicht aufhalten. Mit jedem Schritt in diese neue, unbekannte Richtung wurden seine Schmerzen erträglicher. Er strich sich mit der Hand über den Bart, dann über den stoppligen, verkrusteten und von Tritten und Hieben geschwollenen Schädel. Sollte er Asta nach all den Soldern in einem derartig verwahrlosten Zustand gegenübertreten? Würde sie ihn so überhaupt erkennen? Marken war unschlüssig und zögerte. Er blieb stehen.
Wasser im Gesicht, Wasser im Mund. Ein Schlag mit der flachen Hand. Augen auf, ein dunkler Schemen, Augen zu. Der andere grunzte, es klang zufrieden.
Ja, Marken lebte noch. Immer noch. Er war nicht hinübergegangen. Die ganze lange Strecke war er zurückgelaufen, nur um sich in dieser Welt von einem Dämon ins Gesicht schlagen zu lassen. Smirn?
Wassertropfen rannen Marken aus dem Bart, benetzten seine Brust. Sie hatten ihm den Panzer abgenommen. Er konnte nicht tasten, er war gefesselt; er konnte die Augen nicht öffnen, es war zu mühsam. Aber er wusste es auch so: Sie hatten ihm auch sein Schwert abgenommen.
Das Wasser rann ihm über den Bauch, ein kühler Trost. Wie die leise Berührung einer Hohen Frau.
Sie hatten ihm alles abgenommen, alles. Er war nackt.
Heiße Hände packten nach Marken, hievten ihn wieder hoch. Banden ihn wieder auf den Rücken des Pferds. Marken wusste es nicht und er spürte es nicht mehr. Das Gesicht des Waffenmeisters war bis zur Unkenntlichkeit entstellt – die Augen zugeschwollen von den Schlägen und Tritten, die Nase gebrochen, die Lippen aufgeplatzt. Die entzündete Haut über der Brandwunde nässte unter einer Schicht von Dreck. Sein Körper war übersät mit Blutergüssen und Abschürfungen. Einer der Dhurmmets nahm die Zügel auf und schlug dem Welsen damit über
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