Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
Vom Netzwerk:
Blut, was durch Felts Adern strömte, sondern heißer, flüssiger Stahl. Felt stöhnte aufunter dem heftigen, plötzlichen Schmerz; seine Hand krampfte sich um den Schwertgriff. Dann war es vorüber, aber Felt wusste: Dies war eine Vorahnung dessen gewesen, was auf ihn, was auf alle zukam, wenn der Dämon Gestalt annahm. Wenn er Babus Körper und Seele besetzen würde, wäre es nicht mehr der junge Hirte, den es zu bezwingen galt. Wäre Asing erst zurück, würde es mehr brauchen als eine Hand, als Erfahrung   – auch mehr als ein Schwert   –, um sie zu überwinden. Felt nahm sich zusammen.
    »Ist das, was du siehst, denn unbedingt das, was geschehen wird?«, fragte er. »Erinnere dich, Babu, als wir in die Ubid Engat gingen, kamen wir an eine Wegkreuzung. Es gab drei Möglichkeiten. Du warst sie in Gedanken bereits gegangen und wusstest deshalb, welche weiterführte, in die Höhle hinein. Erinnerst du dich?«
    Babu nickte, aber seine Miene blieb skeptisch. Reva war den Bachlauf ein wenig hinabgegangen, aber Felt fühlte dennoch ihre Nähe als eine kühle Wand, an die er sich anlehnen konnte und die ihn stützte.
    »Zwar hast du die Wege rechts und links gesehen«, sprach Felt weiter, »gegangen sind wir aber nur den einen. Das meine ich. Was in deinen Gedanken ist, was du voraussiehst, was die Zukunft ist: Das ist eine Möglichkeit . Du kannst einen Weg wählen. Es muss nicht alles eintreffen, was du voraussiehst.«
    Babu lachte bitter auf.
    »Ich sehe Dunkelheit, und wenn nicht das, dann sehe ich Feuer. Ich sehe Menschen an purer Verzweiflung sterben, ich sehe sie brennen oder ich sehe, wie sie sich wie Tiere aufeinanderstürzen und sich zerfleischen. Es muss nicht alles eintreffen, was ich sehe? Felt! Du begreifst einfach nicht, dass ich nichts sehe als den Untergang !«
    Er war immer lauter geworden, während er gesprochen hatte.Nun brach Babu ab und fiel vor Felt auf die Knie. Er bebte wie von Fieberkrämpfen geschüttelt, als er weitersprach.
    »Sobald ich meine Augen schließe, sehe ich den Tod. Meine Verbindung zu Juhut … ein dünner Faden, an dem ich nicht mehr zu ihm aufsteigen kann. Ich hätte Wiatraïn nie verlassen sollen. Niemals.«
    Babu senkte den Kopf auf die Brust und seine Haare berührten das gefrorene Gras. Inzwischen füllte der Abend alle Senken, stieg schnell bergan und der Tag verblasste am westlichen Himmel.
    »Ich bitte dich nochmals«, kam es hinter dem Vorhang aus dunklem Haar hervor, »töte mich. Lass nicht zu, dass dieser Dämon mich verschlingt.«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    Felt erhob sich, das Schwert in der Linken. Der Abend hüllte ihn, den knienden Babu und Reva in sein blaues Licht.
    »Ich bin die Wache«, sagte Felt.
    Babu hob den Kopf, strich sich die Haare aus dem Gesicht. Seine braunen Augen glänzten dunkel, fast schwarz.
    »Ich bin die Wache«, wiederholte Felt und wich Babus Blick nicht aus. »Ich stehe vor dem Tor und halte ein Schwert in der Hand und warte.«
    Das Flehen in Babus Blick wandelte sich in Einsicht   – und dann in Wut.
    Er sprang auf.
    »Dann wirst du mich also nicht gleich erschlagen   – sondern erst, wenn ich ein Dämon geworden bin ? Mir soll nicht vergönnt sein, als Mensch zu sterben?«
    Felt schwieg. Nun liefen Tränen über Babus Wangen, aber er bemerkte es nicht. Mit zitternder Stimme sprach er weiter: »Du warst nie mein Freund, Felt; ich hatte nur einen, und der ist tot.Aber du warst doch in vielem mein Vorbild. Ich habe dich bewundert. Und auch gefürchtet … deine Strenge. Aber vor allem habe ich dir bis jetzt vertraut … mein Leben vertraue ich dir an ! Aber wem ich auch vertraue, immer werde ich getäuscht! Immer und immer wieder!«
    »Der Kampf um die Menschlichkeit kann nicht gewonnen werden, indem Menschen einander erschlagen. Wenn ich dich jetzt töte, Babu, gebe ich mich auf, jede Idee von mir, dann gebe ich alles auf   – verstehst du das denn nicht? Ich kann nicht!«
    »Du bist grausam«, sagte Babu kalt. »Du lieferst mich aus. Du kennst keine Gnade.«
    Er drehte sich abrupt um und lief den Hügel hinab Richtung Mühle. Erst jetzt nahm Felt den Falken wahr, dessen weißes Gefieder am Abendhimmel aufblitzte. War er es überhaupt? Juhut schien weiter entfernt zu sein als die Sterne.
    Felt steckte das Schwert weg. Er taumelte, als die kühle Wand nachgab, und ihm wurde klar, dass Reva der Auseinandersetzung mit Babu nicht nur gefolgt war, sondern dass sie Felt unterstützt hatte. Sie kam nun zu ihm und auch ihre Augen

Weitere Kostenlose Bücher