Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
Vom Netzwerk:
Bürger am freien Reisen zu hindern? Die Swaguren (Verzeihung!) haben bereits einen äußerst schlechten Ruf, nun wird er auch noch bestätigt. Eure Gedanken hierzu würden mich sehr interessieren; was politisches Taktieren angeht, seid Ihr als Pramer und dazu noch enger Vertrauter des Fürsten mir weit voraus.

    Ich schließe diesen Brief nun trotz aller Angst mit einer gewissen Vorfreude auf mein Haus, mein Arbeitszimmer und meinen Schreibtisch, wo ich all mein Geschreibsel bündeln und als hübsches Päckchen an Euren Mittelsmann adressieren werde. Ich hoffe auch, daheim die ein oder andere Nachricht von Euch vorzufinden, Wigo!
    Ihr hört bald mehr von Eurem Euch ergebenen

    Helgend von Gaspen

ACHT
IM WESTLICHEN MEER
1
    Sie hatten Marken ein Wachstuch übergeworfen, damit Wind und Wetter ihm nicht zu arg zusetzten. Ihm war völlig gleich, was mit ihm geschah. Aber Smirns Zustand bekümmerte Marken. Zwar rührte keiner der Seeleute die Unda mehr an   – der junge Kerl, der ihr zu nahe gekommen war, machte nun sogar einen Bogen um Smirn. Aber nichts regte sich in ihrem Gesicht. Smirns Ausdruck war leer und ihre Haltung starr. Dennoch gab Marken sie nicht auf. Ein einziges Mal hatte er sie losgelassen, hatte die Totgeglaubte ins Wasser der Globa gleiten lassen. Um nur wenig später festzustellen, dass weder für ihn selbst noch für die Unda die Reise so schnell zu Ende ging. Das würde ihm nie wieder passieren, bis zu seinem letzten Atemzug würde er Smirn festhalten. Doch jetzt konnte er ihr seine Hoffnung nicht mehr einflößen, wie er es nach dem Tod Endhemones getan hatte   – da hatte er ihr Torviks Beutelchen mit Quellwasser zwischen die Lippen gedrückt, und es gab nur das eine. Was also blieb nun zu tun? Das, was auch Smirn bei Endhemone versucht hatte, das, was man immer versuchen konnte: reden.
    Marken erzählte Smirn von seiner Welt. Er erzählte ihr alles über Stahl, wie sie das Erz aufbereiteten, wie viel Kohlen sie brauchten, wie ausgerechnet der stete kalte Wind aus dem Berst heiße Feuer in den Öfen anfachte. Marken zählte alle Zuschläge auf, die er kannte, und stellte Vermutungen über jene Zusatzstoffe an, die von den Schmelzern als Geheimnis gehütet wurden.
    »Bei uns Welsen werden die Toten verbrannt«, sagte er und blickte zur trüb vor sich hin starrenden Unda auf. »Ich erwähne das nur, falls du es vergessen hast.«
    Marken hockte auf den rohen Brettern des Decks zwischen ein paar Kisten, Smirn stand neben ihm. Hier waren sie am wenigsten im Weg. Man hatte Marken die Hände vom Rücken gelöst und mit einer längeren Fessel vorn wieder verbunden, sodass er ohne Hilfe essen oder trinken konnte. Seine Füße waren ebenfalls von einem Dhurmmet zusammengeschnürt worden, daran hatte jedoch niemand etwas geändert. Marken hatte selbst die Knoten etwas gelockert, aber um Ärger zu vermeiden, entfernte er das Seil nicht. Fliehen konnte und wollte er ohnehin nicht   – sie waren seit Tagen auf dem Meer und er sah die Küste nur noch ab und an als ungenauen, graugrünen Streifen am Horizont. Sich in die Fluten stürzen und ertrinken war keine Lösung mehr, denn selbst wenn Smirn ihn verlassen hatte, selbst wenn sie nur noch eine Hülle zu sein schien   – er würde sie nicht allein lassen, niemals.
    »Wir verbrennen also unsere Toten in den Öfen der Schmelzer«, fuhr Marken mit seiner Rede fort. »Aber es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass wir den Stahl mit Toten kochen. Was für eine abscheuliche Vorstellung! Sicher hat Pram das in Umlauf gebracht, vielleicht sogar Kandor höchstpersönlich. Man soll uns für Wilde halten, es passt ins Bild, nicht wahr? Jedenfalls sind Tote kein Zuschlag zum Kelger   – so heißt dasSchmelzofengemisch aus Erz, Kohle, Quarz oder Kalk, du erinnerst dich vielleicht nicht an das Wort   –, sondern sie werden so würdevoll, wie es die Zustände in Goradt erlauben, durchs Feuer zu unseren Ahnen geleitet. Die Asche wird gesammelt und die Hinterbliebenen übergeben sie meist dem Wind. Ich kenne niemanden, der die Asche eines Verstorbenen aufheben würde   … Verständlich, nicht wahr, bei unserer Geschichte?«
    Ein Seemann, der mit einem Knäuel Tampen vorbeikam, rief Marken etwas zu, und wer von der Mannschaft es hörte, lachte. Sie hielten den ohne Unterlass brabbelnden, bleichhäutigen großen Mann für irrsinnig. Es war also nichts dabei, sich über ihn lustig zu machen oder ihm aus Versehen und ganz ohne böse Absicht die Wasserration nicht

Weitere Kostenlose Bücher