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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
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doch wieder auftauche. Das wird nicht geschehen. Es ist wichtig, dass ihr weitersegelt. Ihr müsst die nächste Quelle finden. Ihr müsst ! Verstehst du?«
    »Ja, Hohe Frau.«
    »Offizier Kersted, du wirst tun, was ich sage: Du wirst, sobald das Beiboot eingeholt ist, unverzüglich den Anker hieven lassen. Ihr müsst nordwärts, zur Quelle der Merz. Sie ist der Grund dafür, dass der Mut diese Welt noch nicht verlassen hat. Sie darf nicht versiegen, denn Mut wird vonnöten sein, wenn der Dämon sein Haupt erhebt. Nendsing wird den Weg finden und auch die Quelle   – sie trägt nun das Wasser. Ich weiß, du wirst gut auf sie achtgeben, Kersted. Noch einmal: Ihr müsst nordwärts, aber ihr könnt das Küstengebiet der Grauen Wange nicht durchwandern, niemand kann das, und ihr müsst euch eilen, denn die Firstenstürme werden es bald unmöglich machen, die Nordwestspitze des Kontinents auf dem Seeweg zu erreichen.«
    Kersted blickte Utate an, nahm jedes Wort von ihr wie eine Kostbarkeit auf und schloss es in sich ein. Antworten konnte er nicht. Mit unverhohlener Ungeduld wandte sich Utate an den nord-kwothischen Kapitän. Die Art, wie er betroffen und zugleich folgsam nickte und heisere Bestätigungen murmelte, machte Kersted klar, dass sie zur Sicherheit ihm die gleichen Instruktionen nochmals gab.
    Kersted nahm alles wahr wie im Traum: sehr fühlbar, sehr wirklich und dabei unfassbar. Es war ihm mit einem Mal ein völliges Rätsel, wie es dazu hatte kommen können, dass er an Bord eines Schiffes stand und das Wichtigste und Wertvollste, was ihm je anvertraut worden war, verloren geben musste. Nendsing hatte ganz recht   – wozu etwas retten, das nicht mehr zu retten war? Sie mussten jetzt gleich den Anker hieven und jetzt gleich Kurs auf die nächste Quelle nehmen   – und zwar alle gemeinsam, zusammen mit der Unda .
    Utate wandte sich ihm wieder zu, sah ihn an und Kersted wusste: Es war vergebens. Sie würde gehen, er konnte es nicht verhindern. Er würde sie verlieren.
    Fander trat vor.
    »Herr Offizier, ich rudere, wenn Ihr es wünscht.«
    Kersted hätte ihm am liebsten mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Dann bemerkte er, dass er am ganzen Leib zitterte und dass ihm nicht Gischt, sondern kalter Schweiß auf der Stirn stand. Er konnte sich nur ungefähr ausmalen, was für ein Bild er abgeben musste. Er straffte die Schultern, biss die Zähne zusammen.
    »Wegtreten, Soldat. Das tue ich selbst.«
14
    »Ich kann es nicht, Utate. Ich schaffe es einfach nicht.«
    Sie stand vor ihm im schwankenden kleinen Boot und Kersteds Hände krampften sich um die Riemen. Wie ein Blitz durchzuckte ihn die Erinnerung an den Morgen nach dem Besuch von Torviks Quelle. Sie waren den kleinen Waldfluss hinuntergefahren und er war mit jedem Paddelschlag mürrischer geworden. Kersted hatte sein Ruder ausgehakt, ins Boot geworfen und seinen Kameraden verkündet, dass er nicht mehr mitmache.
    Hätte er sich nur daran gehalten! Wie einfach war die Lage damals gewesen, verglichen mit heute! Aber auch damals war er bereits an Utate gebunden gewesen: Er hatte es nicht ertragen können, dass sie sich immer wieder von ihm zurückzog, es hatte geschmerzt. Und heute wollte sie ihn ganz verlassen. Das ging über jeden Schmerz hinaus. Weit darüber hinaus.
    »Ich kann es nicht. Ich kann es nicht zulassen, dass … dass du dort hineintauchst.«
    Er konnte kaum sprechen, kaum noch einen Gedanken fassen, denn alles in Kersted wurde überstrahlt von heller Panik. Etwas zu verlieren, woran man mit ganzer Seele hing, war grausam   – und wie viele Menschen konnten den Tod eines nahen Angehörigen nicht verwinden? Kersted hatte sie gesehen, in Goradt, die Mütter ohne Kinder, die immer nur eine Frage stellten, nämlich die, warum nicht ein Leben für das andere eingetauscht werden konnte. Aber diese Mütter hatten wenigstens um ihr Liebstes kämpfen dürfen, hatten hoffen dürfen, hatten alles, alles versucht und waren besiegt worden. Kersted durfte nicht einmal das; er musste sich fügen, musste aus eigener Kraft im Boot sitzen bleiben, während Utate in den Fluten versank, und dann sollte er davonsegeln, sie zurücklassen.
    Er konnte nicht. Er weinte.
    »Kersted, es tut mir leid. Bitte verzeih mir. Ich weiß sehr gut, was die Nähe einer Unda in der Seele eines Menschen bewirken kann. Und ich habe nicht damit gerechnet, dass es so enden muss; ich kann die Zukunft nicht sehen. Unsere Verbindung war dazu gedacht, Gutes zu stiften in einer Welt, die

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