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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
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sich verdunkelt: So konnte ich dich stärken, und ich hätte dich schützen können vor den düsteren Stimmungen und finsteren Abgründen, in die der Dämon dich hinabzuziehen vermag. Auch das tut mir leid, dass ich dich nun alldem allein aussetzen muss.«
    »Dann bleib«, flehte er.
    Sie schwieg, sah Kersted mit sich ringen, und ihre Augen waren dunkel vor Traurigkeit.
    »Ich kann das Band nicht mehr lösen, Kersted. Nicht ohne dir sehr zu schaden. Es würde dir den Abschied erleichtern, aber wenn ich mich und deine Erinnerung an mich aus dir herausreiße, kannst du nicht mehr Kersted sein. Und das wiederum kann ich nicht zulassen. Ich vertraue darauf, dass du es schaffst. Ich habe dir immer vertraut, Kersted. Ich war es, ich habe dich angesprochen, damals, vor der Grotte   – erinnerst du dich?«
    Kersted konnte nicht zu ihr aufsehen, aber er hörte das Lächeln in Utates Stimme, und das war das Schlimmste. Wie sollte er denn weitermachen? Es war doch völlig unmöglich, ohne die Unda weiterzumachen. Nichts hatte einen Sinn ohne Utate.
    Da sprang sie.
    Ohne ein weiteres Wort, ohne einen echten Abschied, ohne dass Kersted reagieren und sie festhalten konnte, war Utate aus dem Boot gesprungen.
    Er schrie, erschrocken, zornig. Verzweifelt. Stand dabei ruckartig auf, das Boot schwankte heftig, er verlor das Gleichgewicht, fiel. Auf den Knien hockte er, den rissigen Holzrand des Rumpfs gepackt und weit übers Wasser gebeugt.
    Er sah sie, sie leuchtete. Immer heller, je tiefer sie tauchte. Erst konnte Kersted im sich schnell beruhigenden Wasser Utates Umrisse sehen, ihre Gestalt wie aus Licht geformt.
    Dann verschwamm die Kontur, sie wurde kleiner, strahlte heller, eine weiße Kugel.
    Dann nur noch ein gleißender Punkt. Ein aufblitzender Stern zuletzt.
    Dann nichts mehr.
15
    »Was habe ich dir gesagt? Keiner an Bord.«
    »Und was habe ich dir gesagt? Nichts an Bord, was der Mühe wert war.«
    Rigl, der ältere der beiden Seeleute, drückte sich seine lederne Kappe fest auf den Kopf. Es hatte aufgefrischt und ihn drängte es, von dem Wrack herunterzukommen und die Fahrt fortzusetzen.
    »Hätten wir deiner Meinung nach also nicht nachsehen sollen?«, fragte Saiph, ein stämmiger Mann in den Dreißigern mit blondem Haar und fast ebenso hellgelben Augen.
    Rigl antwortete nicht. Das war auch nicht nötig, denn es war ohnehin klar: Kein Seemann fuhr einfach an einem aufgelaufenen Schiff vorbei. Und auch wenn es sich um ein kwothisches Schiff handelte und die Kwother nun nicht mehr wirklich zu den Freunden der ingrischen Seefahrer zählten. Sie waren gerade noch aus dem Hafen von Gham-Sarandh herausgekommen, hatten sogar schon die Segel der Schiffe aus Jirdh am Horizont erkennen können. Der Krieg zwischen dem Norden und dem Rest Kwothiens war ausgebrochen; vorläufig würde es keinen Handel mehr geben zwischen den schon so lange befreundeten Küstenstädten Gham-Sarandh und Irpen im Süden. Dennoch hatten sie nicht an dem Wrack vorbeifahren können, sondern nachsehen müssen. Ob jemand Hilfe brauchte. Oder ob es etwas gab, das nun herrenlos geworden war und das man noch gebrauchen oder besser: verkaufen konnte. Die Irpener brachten selbst in der Regel keine Schiffe auf, sie waren Händler, keine Seeräuber. Aber ein Wrack zu plündern war etwas anderes und der Keire Bhrahin , der große Strudel zwischen den Königsfluchten-Inseln und dem Festland, brachte seit jeher die vom Kurs ab, die diesen Seeweg nicht so gut kannten wie Kapitän Rigl und sein erster Steuermann Saiph. Ein wenig die Augen offen zu halten und auch mal rechts und links der Route zu schauen hatte sich für beide oft mehr gelohnt als die Geschäfte, die sie in Gham-Sarandh machen konnten. Nun aber war Krieg und Rigl hätte sein Schiff, seine Mannschaft, seine Ladung und vor allem die Passagiere lieber so schnell wie möglich in sichere Gewässer gebracht. Die Inseln gehörten zu Kwothien und waren zudem verbotenes Terrain. Hier ruhten die kwothischen Könige und ein Fremder sollte, wenn ihm sein Leben lieb war, diese heiligen Stätten besser nicht betreten. Ihm war einfach nicht wohl bei der Sache.
    »Hilf mir mal, Käpt’n«, sagte Saiph und zog an einem der ins Deck eingelassenen Ringe. Rigl trat hinzu und gemeinsam wuchteten sie die Klappe hoch.
    »Eine Lampe wär gut«, meinte Rigl.
    »Ich geh schon«, sagte Saiph und stieg die steile Treppe in den Schiffsbauch hinab. Seine Augen waren nicht nur ungewöhnlich hellgelb, sondern auch ungewöhnlich

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