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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
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Vorsicht. Sie wussten nicht, wie viele Kwother sich hierher gerettet hatten und in welcher Verfassung sie waren. Kämpfen konnten sie in jedem Fall besser als die Ingrier, die nicht viel von bewaffneten Auseinandersetzungen hielten   – als ein zu den Seguren gehörender Volksstamm zogen sie sich am liebsten auf ihre Neutralität zurück. Auf diese Neutralität hatte Saiph auch gepocht, als er den Nord-Kwotherinnen   – dassman das nun immer betonen musste, nord -kwothisch!   – den Beschluss mitgeteilt hatte, nach den Schiffbrüchigen suchen zu wollen. Die Antwort der Frauen war Geschrei und Geschimpfe. Sie wollten keine Männer aus Jirdh an Bord dulden. Sie behaupteten, alle Nur-Kwother seien Dämonen. Alle Nord -Kwother hingegen waren in ihren Augen Helden. Nun, es war schwierig genug, die Heimat, den Bruder, den Ehemann, den Vater zu verlassen. Vielleicht musste man sich die Welt dann etwas einfacher machen, um nicht zu verzweifeln. Saiph spekulierte nur, selbst hatte er nie einen Krieg erlebt. So sollte es auch bleiben, er wollte nicht hineingezogen werden. Dass er nun möglicherweise den Krieg an Bord holte, war ein hoher Preis, aber so ein Windwesen schien es ihm unbedingt wert.
    Saiph wusste alles über Euler, was es zu wissen gab, und hatte in seiner Jugend auch schon einmal einen gesehen   – an Deck eines Schiffes, das bei Flaute an ihnen vorbeirauschte. Er war noch ein einfacher Schiffsjunge gewesen und das erste Mal in Gham-Sarandh. Auf dem Rückweg nach Irpen waren sie zehnenlang vor der trostlosen Küste der Marga gedümpelt, der Proviant wurde knapp, und was noch da war, verdarb unter der sengenden Sonne; das Wasser stank und war von langen Algen durchzogen. Der junge Saiph hatte abwechselnd Todesangst ausgestanden und Heimweh gelitten. Als dann das Schiff mit seinen schwarz gefüllten Segeln an ihnen vorbeifuhr und der damalige Steuermann »Ich würde töten für einen Euler« zischte, wusste Saiph: Er wollte einen haben. Irgendwann hätte er ein eigenes Schiff und auf diesem Schiff hätte er einen Euler   – er wäre unabhängig von allem. Er wäre der freieste Mann der Welt.
    Genug Geld für ein eigenes Schiff würde er bald zusammen haben. Und ein Windwesen war in greifbarer Nähe; er würde schon mit Rigl einig werden. Im Grunde wusste er, dass sein Kapitän so ein gefährliches Wesen ohnehin nicht auf seinemSchiff haben wollte. Früher oder später würde es ganz allein Saiph gehören. Der Steuermann musste achtgeben, dass er es nun nicht vermasselte. Er biss sich fest auf die Lippen, ohne es zu bemerken, und hörte erst auf, als er den salzigen Geschmack von Blut im Mund hatte.
    »Was war das?«
    Kinnig hatte nur geflüstert, aber alle blieben sie wie vom Donner gerührt stehen. Und lauschten.
    »Totenglocken«, raunte Saiph. »Wir müssen nah der Stadt sein.«
    »Tote gehören ins Meer, nicht in Städte«, grummelte Kinnig leise. Seine Furcht war dennoch hörbar.
    Saiph packte seinen kurzen Säbel fester. Er hatte ihn in seinem ganzen Leben noch nie benutzt und wollte das auch heute nicht tun. Er würde reden, das konnte er. Sein Kwothisch war leidlich gut, zum Handeln mehr als ausreichend und besser als das vieler anderer ingrischer Seefahrer. Saiphs Ehrgeiz hatte ihm die schwierige Sprache von Kindesbeinen an eingebläut. Die Freundschaft der beiden so unterschiedlichen, so weit voneinander entfernt liegenden Städte Gham-Sarandh und Irpen währte schon lange, und hier am Rande des Kontinents, fernab von allen kriegerischen Verwicklungen hatte sie in vielen hundert Soldern kaum etwas stören können. Nun aber trug Saiph eine Waffe in der Hand, während er ein paar arme, schiffbrüchige Kwother suchte. Irgendetwas lief hier falsch, er spürte es. Er hatte nur keine Ahnung, was es war.
    Da stand plötzlich eine riesenhafte Gestalt vor ihm, schlug ihm mit der bloßen Hand den Säbel aus der Faust und packte ihn mit der anderen an der Gurgel. Hob ihn hoch. Hielt ihn am ausgestreckten Arm. Saiph blickte in ein von Narben entstelltes Gesicht. Der Riese hatte einen zottigen Bart, seine Haare waren kurze Stoppeln und er stank bestialisch. Er sah Saiph nichtan, drückte aber zu, immer fester, und Saiph fühlte seine Sinne schwinden. Er nahm noch wahr, wie Kinnig und die anderen beiden sich auf den Angreifer stürzten, und dachte: Bootshaken, die haben nur Bootshaken. Dann war es mit einem Mal stockfinster.
18
    Nein, das war kein Euler.
    Das war nicht einmal ein Kwother.
    Saiph versuchte,

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