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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
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Baumstamm löste. Wie eigenartig, Babu fühlte kein Grauen und keine Angst. Der Wolf blieb auf Abstand, war gleichermaßen scheu und fordernd in seinem Verhalten: Er wollte, dass Babu ihm folgte, ganz sicher.
    Und warum auch nicht? Was hatte er noch zu verlieren? Ob er einfach so weiterging und erschöpft zusammenbräche oder ob er der Spur des Wolfs folgte   – was machte das schon für einen Unterschied?
    Ein entstellendes Lächeln verzerrte Babus aufgesprungene Lippen, als er an den Satz der alten Szasla dachte: Der Hirte wird die Spur finden, der Jäger der Beute folgen bis zum Ende, wo der Kreis sich schließt.
    Bald. Bald war es zu Ende.
7
    Er hörte Hufschlag und vor Schreck machte sein Herz einen schmerzhaften Satz. Lange war er dem Wolf hinterhergetrottet. Wie lange? Es war gleich, Babu wartete nur noch darauf, zu straucheln, zu fallen   – und dann liegen zu bleiben. Wenn er einfach nichts sagte oder tat, sich aber auch nicht widersetzte oder in ein Gespräch mit dem Dämon verwickeln ließe, dann müsste es gelingen. Dann müsste ein stilles Ende möglich sein, eines ohne Gefühle und Gedanken und somit eines, bei dem das Tor geschlossen bliebe. Dann könnte es ihm gelingen, als Mensch zu sterben.
    So hatte es Babu sich zusammengereimt: Es kam auf seine Regungen an. Aus seinem Hass auf den Thon waren damals die Wölfe geboren worden; Babus Rachlust hatte Gestalt angenommen. Immer schon hatte er seinen Gefühlen, vor allem den schlechten, so wenig entgegensetzen können. Nun, kurz vor dem Ende, wollte er sich keinen Empfindungen mehr hingeben. Sondern nur dahindämmern, auf kaltem Boden, und ins Sterben hineinschlafen wie in einen neuen, frischen Tag. Babu konnte die Welt ganz sicher nicht retten, aber er wollte auch nicht schuld sein an ihrem Untergang. Das Tor musste geschlossen bleiben. Oder sollte sich doch wenigstens nicht weiter öffnen, es war schon genug Schlimmes geschehen. Wenn er sich dem Dämon nicht zuwandte, wenn er nicht zornig würde, nicht haderte, sich nicht verführen ließe   – was sollte sie dann tun? Wo sollte Asing hin? Sie war da, hinter ihm, und wartete auf eine Gelegenheit. Er wollte sie ihr nicht bieten. Babu wollte den Dämon mit Gleichgültigkeit besiegen und Asing allein in ihrer Halbwirklichkeit zurücklassen, schwach und gestaltlos. Er hatte keine Schmerzen mehr, Juhut war fort. Seine Kräfte waren begrenzt, sein Körper schwach. Er war kurz davor, sich fallen zu lassen. Alles, alles loszulassen.
    Da hörte er den Hufschlag.
    Konnte das Felt sein? Hatte er ihn etwa gefunden? Wie? Wo war Babu überhaupt?
    Die Gegend war immer noch hügelig und nur spärlich bewaldet, ein weitgehend leeres Niemandsland im Frostschlaf. Babu folgte nach wie vor dem Wolf, der weit vorauslief und manchmal von einer Bodenwelle verschluckt wurde, wobei seine Pfotenabdrücke im reifweißen, kurzen Gras oder auf der gefrorenen Erde aber jederzeit sichtbar blieben. Sie waren wie mit heißen Eisen in den Untergrund eingeprägt. Aber wo war das Pferd, dessen Hufschlag Babu hörte und dem sein Herz wie ein Echo antwortete?
    Babu drehte sich um, doch da war nichts. Als er wieder nach vorn sah, trabte es geradewegs auf ihn zu. Mit hängenden Zügeln, gesattelt. Babu blieb stehen und Tränen traten ihm in die Augen. Denn es war nicht irgendein Pferd, das nun die Gangart verlangsamte, eine kleine weiße Wolke ausschnaubte undschließlich sein weiches Maul gegen Babus eiskalte Wange presste. Es war der Braune. Der schöne, große Braune, der am Morgen nach dem Massaker an der Quelle zu ihm gekommen war und auf dessen Rücken Babu ein längst verloren geglaubtes Glück aus Kindertagen wiedergefunden hatte. Im Nebelwald war ihm das Pferd abhanden gekommen. Nun war es zurück. Babu fragte nicht, wie das sein konnte. Er schlang dem Tier die Arme um den Hals, und ohne weiter darüber nachzudenken, schwang er sich in den Sattel; es war das Natürlichste der Welt. Er nahm die Zügel auf und spürte, wie alles wieder richtig war. Eine wärmende Freude durchströmte Babu, ein Gefühl, das durch nichts einzudämmen war. Denn diese Freude war die Bewegung einer sich endlich wieder öffnenden Seele, und als sie sich ganz entfaltet hatte, als Babu das Kinn hob, lächelnd, seinen Blick schweifen ließ und tief Luft holte, da griff der Dämon sich diese Seele und krallte seine Finger hinein wie Eisenhaken in ein Stück Fleisch.
8
    Ich habe dir doch gesagt, ich würde dir meine Zuneigung beweisen, und ich halte meine

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