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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
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Sohn bat ihn mit zusammengepressten Lippen um Verzeihung. Marken ließ den Löffel los. Er fiel in die Schüssel, die Suppe spritzte ihm ins Gesicht. Das Entsetzen und die Erkenntnis kamen gleichzeitig.
    Wann hatten die Kwother gejagt?
    Was hatten die Kwother gejagt?
    Marken sah die pramschen Soldaten am Nachbartisch sich mit den Handrücken die Münder abwischen, sah Strommed rülpsen und befriedigt grinsen. Gib deinen Männern eine anständige Verpflegung und die Moral bleibt oben. Aber mangelnde Moral war nicht das Problem ihrer abwesenden Kameraden gewesen. Keiner ihrer Kameraden war desertiert. Keiner ihrer Kameraden würde nach Hause kommen. Denn diese Männer hatten ihre Kameraden gerade aufgegessen.
    Marken fuhr hoch, warf dabei den Tisch um, die Schale landete im Dreck, der Inhalt vergossen auf staubigem Boden. Zerkochte graue Brocken.
    Menschenfleisch.
    Mit einem Wutschrei zog er sein Schwert.
18
    Markens Welt färbte sich mit einem Schlag blutrot. Er griff nach Ormns Sohn, riss ihn an sich und setzte ihm die Klinge an den Hals.
    Strommed sprang auf, zog ebenfalls sein Schwert. Er hatte am Uferposten gekämpft, in den Aschenlanden, da hatte es vier gegen einen gestanden. Hier stand es zwei gegen einen.
    Aber damals hatten Welsen ihr Leben gegen Pramer verteidigt. Jetzt zogen die pramschen Soldaten ihre Schwerter, jetzt waren sie auf der Seite der Welsen   – ihre Gegner jedoch waren Kwother, waren Dhurmmets mit ihren Soldaten.
    In Wirklichkeit stand es deshalb zwölf gegen zwei. In Wirklichkeit ging es Kwother gegen Welsen. Den Kampf hatten die Welsen schon einmal verloren und damals waren sie viele gewesen.
    »Zu den Pferden!«, rief Marken. Flucht war die einzige Möglichkeit. Denn das hier konnten sie nicht überleben. Diesen Kampf konnten sie nicht bestehen, nicht gegen Ormn. Nicht gegen die Dhurmmets. Nicht gegen die Männer, deren Augen das Licht spiegelten wie die Augen von Tieren. Die sichnun um ihren Hauptmann rotteten, sich auf die Rücken griffen, die Äxte zogen. Die Männer, die Menschen jagten und sie fraßen. Die Welsien vernichtet hatten. Die ohne Gnade waren. Die längst tot sein sollten.
    Aus ihnen waren Dämonen gesprungen, Flammenkrieger.
    Markens Herz pumpte mit aller Kraft. Der Alte keuchte in Markens eisernem Griff. Wie war dieser Satz in seinen Kopf gekommen?
    Felt. Felt hatte diesen Satz gesagt. Mit hochgezogenen Augenbrauen. Beim Frühstück in Pram.
    Aus ihnen waren Dämonen gesprungen, Flammenkrieger.
    Felt hatte wiedergegeben, was der Übersetzer Wigo   – Wigo! Er hieß Wigo!   – ihm über die Kwother, die Feuerschlacht erzählt hatte. Marken fiel es wieder ein, seine Gedanken hasteten voraus, sprangen zurück, hechteten wieder nach vorn, während die blutrote Welt um ihn herum sich in zäher Langsamkeit bewegte.
    Er sah, wie zwei der Pramer zu den Pferden sprinteten. Und dabei kaum von der Stelle kamen. Er sah einen Dhurmmet schwerfällig den Kopf nach ihnen wenden.
    Er rief: »Ormn! Lass uns ziehen oder dein Sohn stirbt!«
    Der Hauptmann legte den Kopf in den Nacken. Marken dachte an einen Wolf, erwartete ein Aufheulen. Was kam, war schlimmer: Ormn lachte. Lachte aus vollem Hals. Dieses Lachen zerriss den dünnen Mantel des Menschseins, in den die Dhurmmets sich gekleidet hatten. Darunter kam das nackte Böse zum Vorschein. Und mit einem Mal veränderte die Welt ihre Geschwindigkeit wieder, wurde schnell, rasend schnell.
    Mit einem einzigen geschmeidigen Sprung war der Dhurmmet bei den beiden rennenden pramschen Soldaten, mit nur einem Schwung der Axt trennte er einem den Kopf fast vollständig vom Hals. Noch bevor das Blut kam, lag der Arm deszweiten Soldaten   – das Schwert noch gepackt   – im Staub zu dessen Füßen. Marken würde den Blick nie vergessen: Der Mann schaute mit offenem Mund auf sein abgetrenntes Körperteil wie ein Kind, das aus Versehen einen Krug hat fallen lassen, der am Boden in Scherben zersprungen war. Dann traf ihn der nächste Hieb mit Wucht in die Brust und zerdrückte den Schreckensschrei, der hinauswollte.
    Marken hörte ein dumpfes Klappern. Er musste nicht hinsehen. Er wusste: Das war der Klang von Schwertern, die weggeworfen wurden. Er stieß Ormns Sohn von sich, der alte Mann stolperte und fiel. Sein Vater beachtete es nicht; der Sohn war kein Druckmittel, denn er bedeutete Ormn nichts. Dessen glühende Augen starrten Marken an, bohrten sich in ihn hinein wie Stachel, vergiftet mit Hass. Einem so reinen, so absoluten Hass, dass er

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