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Zwölfender

Zwölfender

Titel: Zwölfender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Schröder
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einen hoben. Jedenfalls gelang es Merce, sich als Parteiloser einen Posten im Stadtrat zu sichern. Nach einer Weile allerdings fiel auf, dass er weder von Politik noch von Bergbau das Geringste verstand.
    Einer der Stadträte stellte Nachforschungen über ihn an und fand unter anderem heraus, dass Merce – der übrigens nicht aus Dublin, sondern aus Limerick stammt, wo seine Eltern einen Waschsalon betreiben – nie an irgendeiner Uni eingeschrieben war. Dafür scheint er als Poker-Profi bis heute ziemlich erfolgreich zu sein. Natürlich ist er nicht so dumm, in Copiapó zu spielen. Er fährt regelmäßig nach Santiago.«
     
    »Er hat mein Hotelzimmer bezahlt«, sagte ich.
    »Was wohl heißt, dass er gerade einen Lauf hat.«
    »Und wie ging es damals weiter?«
    »Man warf ihn umgehend aus dem Rathaus. Er gab seine Wohnung auf. In den ersten Wochen sprach er mit niemandem mehr, weil alle über ihn lachten. Dennoch blieb er hier. Inzwischen redet er, wie du weißt, wieder mit jedem …«
     
    »Allerdings!«, sagte ich. »Aber irgendwie mag ich ihn. Merce ist … Er erinnert mich an diesen Kurzfilm: Man sieht einen Mann auf der Flucht. Er rennt. Er schlägt sich, den Blick immer wieder nach hinten wendend, durch Wälder und Weizenfelder. Der Mann hat enorm große Ohren. Riesenohren. Irgendwann, nach einer ganzen Weile, wendet sich die Kamera endlich auf seinen Verfolger. Es ist ein Mann mit einer gigantisch großen Nase.«
    Ich fing an zu lachen und bekam einen Schluckauf.
     
    Niks Gesichtsausdruck verriet mir, dass er nichts Komisches an der Geschichte finden konnte. Dennoch setzte er ein gutmütiges Gesicht auf. »Nie davon gehört. Wer spielt denn mit?«
    Ich hörte ein morsches Tor ins Schloss fallen.
    Um nicht unhöflich zu sein, antwortete ich wahrheitsgemäß: »Keine Ahnung. Eher unbekannt, die beiden.«
    »Naja«, sagte er. »Ist schon verrückt, was sich manche einfallen lassen.«
     
    Die Landschaft vor uns erschien mir so karg, als habe sie jemand abgelegt und dann einfach vergessen.
    Dann war links von uns das Meer zu sehen.
    »Warum ist Laura nicht mitgekommen?« fragte ich.
    »Sie muss sich um eine Gruppe kümmern«, erklärte Nik. »Wenn ich zurück bin, geht es in die Weinberge.«
     
    Wir fuhren durch die Wüste.
    Keine Küstenstraße mehr, kein Ort, nichts mehr, nur Sand, Geröll und Berge.
    Als Nik schließlich anhielt und den Motor abstellte, wurde mir mulmig. Wir stiegen aus. Er öffnete die Heckklappe und half mir, mein Gepäck auszuladen.
    Für einen Moment erwog ich, alles abzublasen. Dann besann ich mich auf meine schlaflosen Nächte.
     
    »Okay, das wärs«, sagte Nik, während er die zusammengerollte Isomatte aus dem Wagen zog und das Satelliten-Telefon behutsam zu den anderen Sachen legte.
    »Richte dich nur nach dem gps . Landkarte und Kompass hast du dabei, aber bloß für den Notfall. Lass dich auf keinen Fall von deinem Orientierungssinn leiten.«
    Ich nickte und gab nach einem kurzen Blick auf das gps vor, meine Richtung zu kennen. »Danke«, sagte ich.
    Nik zwinkerte mir zu, setzte sich in den Jeep und schloss die Fahrertür.

12
    Ich setzte mich neben mein Gepäck und sah zu, wie das einzige Auto weit und breit immer kleiner wurde, immer kleiner und kleiner, und sich allmählich in einer Wolke aus Sand auflöste.
    »Auf!«, dachte ich. Mir war, als stünde Robert neben mir.
    Ich stand auf, packte mein Zeug und lief los.
    Der Rucksack hing bleischwer an mir. Anfangs war ich oft davor, ihn einfach abzuwerfen.
     
    Irgendwann fand ich einen Rhythmus, der meine Schritte mit den Schwüngen des Gepäcks synchronisierte.
    Ich lief. Ich folgte der Richtung, die mir das gps vorschrieb und versuchte, nichts zu denken.
    »Alles ist nichts«, flüsterte es in mir.
    Gehend wiederholte ich den Satz. Ich wiederholte ihn wieder und wieder, ich wiederholte ihn unfreiwillig und wurde seiner überdrüssig.
     
    Bei Einbruch der Nacht gönnte ich mir eine längere Pause. Ich aß etwas. Ich trank aus dem gurgelnden Wassersack.
    Vermutlich schlief ich ein.
    Als ich die Augen wieder aufmachte, war es halb eins.
     
    Ich lief weiter. Der Sand wurde flacher und der Untergrund härter.
    Dann lief ich auf Pappe.
    Ich schnürte meine Schuhe auf und nahm sie in die Hand. Später schien es mir, als erzeugte mein Tritt einen Hall. Schöner Größenwahn. Ich marschierte im Nichts auf Karton und lauschte.
     
    Irgendwann sah ich im fahlen Licht, dass ich auf einen niedrigen Gegenstand zusteuerte.
    Es war ein

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