Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
Zorn würde dich treffen. Er würde euch suchen und bald gefunden haben und euch zurückbringen. Es ist gegen das Gebot des Clans, Ayla." Iza stand auf und ging zum Feuer. Doch nach ein paar Schritten kehrte sie wieder um. "Und gingest du fort, so würde er mich fragen, wo du bist."
Niemals in ihrem Leben hatte Iza etwas getan, was gegen die Gebräuche des Clans oder gegen Bruns Befehl verstieß. Es wäre ihr nie eingefallen. Das, was Ayla vorhatte, war offene Widersetzlichkeit. Und das war schlecht. Doch sie verspürte genau, wie unbezwingbar Aylas Wille war, ihr Kind zu behalten. Es ist schon so, wie Ayla mir dargetan hat, dachte sie, als ihre Augen das Neugeborene umfingen. Er mag mißlich gestaltet sein, aber er ist kräftig. Auch Crebs Körper war mißgebildet, als er geboren wurde. Und jetzt ist er der Mog- ur. Und dies hier ist ihr erstgeborener Sohn. Hätte sie einen Gefährten, so würde er vielleicht zustimmen, dem Kind das Leben zu lassen. Nein, das würde er nicht tun, so wenig wie sie andere belügen konnte, konnte sie sich selbst belügen. Doch sie konnte für sich behalten, was sie wusste.
Iza war sich im klaren darüber, dass es ihr geboten gewesen wäre, dieses alles Creb oder Brun darzutun. Doch sie brachte es nicht übers Herz. Was Ayla vorhatte, konnte sie nicht gutheißen, aber sie würde es in sich verschlossen halten.
Sie legte heiße Steine in eine Schale mit Wasser und machte Ayla einen heißen Heiltrank. Die junge Frau schlief mit ihrem Kind in den Armen, als Iza ihr den dampfenden Becher brachte. Sie schüttelte sie sachte an der Schulter.
"Trink das, Ayla", bedeutete sie ihr und wies dann in eine abgelegene Ecke. "Ich habe das Nachgeburtige verhüllt und dorthin in die Ecke gelegt. Heute nacht kannst du noch ausruhen, aber wenn die Sonne wieder hochgekommen ist, mußt du es vergraben. Brun weiß um die mißliche Gestalt deines Sohnes. Ebra hat es ihm mitgeteilt. Der Clan-Führer erwartet, dass du ihn zusammen mit dem Nachgeburtigen wegschaffst."
Auf diese Weise wollte Iza Ayla mitteilen, wieviel Zeit ihr noch blieb, alles Nötige für die Flucht zu richten.
Lange lag Ayla wach und sann darüber nach, was sie mitnehmen sollte. Den Schlafpelz, Kaninchenfelle und Flaumfedern für das Kind, die Schleuder und einige Messer, Nahrung und ein Wasserbehältnis. "Wenn ich warte, bis die Sonne über mir steht, ehe ich mich aufmache, kann ich noch alles vorbereiten."
Am nächsten Morgen bereitete Iza weit mehr zu, als für vier Erdlinge als Morgenverzehr gebraucht wurde. Creb war erst in tiefer Nacht in seinen Wohnkreis zurückgekehrt und hatte sich sofort schlafen gelegt. Er vermied es peinlichst, mit Ayla zusammenzutreffen. Er war ratlos und wusste nicht, wie er ihr gegenübertreten sollte. Ihr Totem ist zu stark, dachte er. Es ist niemals ganz bezwungen worden, darum hat sie immer wieder geblutet, während sie das Kind trug. Darum ist das Kind mißgestaltet. Es ist wirklich ein Jammer, sie verlangt so sehr nach einem Kind.
"Iza, das ist ein reichlicher Morgenverzehr", bedeutete er, als er sich niedersetzte. "Den ganzen Clan könnte man damit ernähren."
"Es ist für Ayla", gab Iza zurück und senkte hastig den Kopf.
Gewiß, Ayla musste wieder zu Kräften kommen. Und sie würde Kräftigendes brauchen, um über das Unglück, das sie getroffen hatte, hinwegzukommen. Creb fragte sich, ob sie jemals ein gesundes Kind haben würde.
Als Ayla von ihrem Lager aufstand, vermeinte sie, der Boden schwankte unter ihren Füßen. Jeder Schritt wurde zur Qual, und wenn sie sich bückte, stach es ihr in den Leib, als wenn sie spitze Pflöcke darin hätte. Heillose Angst ergriff ihre Gedanken, und für einen Augenblick erschien ihr alles sinnlos. Kann ich so zur Höhle hinauf? Ich muß es können! Wenn ich nicht fortgehe, nimmt Iza mir mein Kind und schafft es weg. Ich will es aber haben, schrie es in ihr, und sie verdrängte die Angst in ihrem Herzen. Es wird schon gehen. Und wenn ich den ganzen Weg kriechen muß.
Ein dünner Regen nieselte grau herab, als Ayla die Höhle verließ. Sie hatte einiges in ihren Sammelkorb gepackt und das Nachgeburtige darauf gelegt. Die anderen Sachen waren unter ihrem Pelzumhang versteckt. Das Kind lag in einem Tragfell an ihrer Brust.
Die Wogen der Nebel in ihrem Kopf teilten sich, als sie einen der Wege in die Wälder nahm, doch ein Gefühl von Übelkeit blieb. Nach einiger Zeit bog sie ab und schlug sich durch Büsche und Gesträuch tief in den Wald, ehe sie anhielt. Matt sank sie
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