Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
könnte, wenn es geboren wird, ehe du einen Gefährten hast? Zeigt seine mißliche Gestalt nicht, dass es wahr ist? Warum willst du ein Kind leben lassen, das bis ans Ende seiner Tage vom Unglück verfolgt sein wird? Es ist besser, jetzt mit ihm und dem Unglück ein Ende zu machen."
Widerstrebend entzog Ayla ihrem Sohn die Brust, und Tränen strömten aus ihren Augen.
"Ach, Iza", rief sie schluchzend, "ich wollte ein Kind wie die anderen Frauen. Ich dachte, dass ich nie eines kriegen würde. Und warum musste ich so leiden, um ihn zu gebären, wenn es nun doch noch sterben soll? Ich will mein Kind behalten, Iza. Zwing mich nicht, es aufzugeben."
"Ich fühle mit dir, Ayla", gab die Medizinfrau mit zitternder Hand zurück, "aber es muß sein."
Der kleine Säuger suchte die Brust der Mutter. Zuerst wimmerte er und fing dann an zu brüllen, als er nichts fand. Ayla konnte es nicht ertragen und legte ihn wieder an.
"Ich kann es nicht tun", erklärte sie Iza mit heftiger Bewegung. "Ich tue es nicht. Mein Sohn lebt. Er atmet. Es kann ja sein, dass er mißgestaltet ist, aber er ist kräftig. Hast du ihn schreien hören? Hast du gesehen, wie geschwind er die Beinchen bewegt? Schau doch, wie er saugt! Ich will ihn behalten, Iza, und ich behalte ihn auch. Niemals werde ich ihn töten. Lieber gehe ich selbst fort von hier. Ich kann jagen. Ich kann Nährendes für uns beide finden. Ihn und mich kann ic h durchbringen."
Iza riß entsetzt die Augen auf.
"Ayla, das darfst du nicht! Wohin willst du dann gehen? Du bist zu schwach. Du hast sehr viel geblutet."
"Ich weiß es noch nicht, Iza. Nur fort. Ich gebe mein Kind nicht auf."
Aylas Entschluß war felsenfest, und Iza sah es ihr an. Aber sie war doch noch zu sehr geschwächt, um alleine fortzugehen; sie würde sterben, wenn sie versuchen sollte, ihr Kind zu retten. Aylas Drohung, sich wieder gegen Clan-Brauch und -Gebot zu stellen, jagte Iza Angst und Schrecken ein.
"Ayla, tue es nicht", bat Iza und rang die Hände. "Gib mir das Kind. Wenn du es nicht kannst, dann will ich es für dich tun. Und Brun will ich erklären, dass du noch sehr schwach warst." Die Frau streckte nach dem Kleinen die Arme aus. "Komm, laß mich ihn nehmen. Wenn er fort ist, wird es dir leichter, ihn aus deinem Herzen zu reißen."
"Nein! Nein, Iza!" Heftig wehrte Ayla ab und drückte das neue Leben, das aus ihr gekommen war, noch fester an sich. Schützend neigte sie sich über ihr Kind.
Uba hatte alles mit angesehen; das Hin und Her zwischen den beiden Frauen und vorhin, wie quälend und schmerzlich Aylas Gebären war. Sie liebte die Frau mit dem sonnenhellen Haar. Sie war in großer Angst gewesen um Ayla, als diese so heftig gelitten und gekämpft hatte; jetzt aber war die Angst riesig geworden, als sie sich jener Zeit erinnerte, in der Ayla weg gewesen war und alle geglaubt hatten, sie würde niemals wiederkehren. Eine schreckliche Ahnung, dass sie Ayla niemals wiedersehen würde, wenn sie jetzt fortging, drückte Uba fast das Herz ab.
"Geh nicht, Ayla!" Mit einem Aufschrei stürzte das Mädchen zu den beiden Frauen. "Mutter, Ayla darf nicht wieder fort von hier", flehte sie, wild mit den Armen schlagend, die Medizinfrau an. "Geh nicht wieder fort!"
"Ich will ja nicht fortgehen, Uba, aber ich kann doch mein Kind nicht sterben lassen", warf Ayla ein.
"Binde ihn doch hoch oben in einem Baumwipfel fest wie die Mutter, von der Aba berichtet hat. Und wenn er dann die bemessenen Tage am Leben bleibt, dann muß Brun dir erlauben, ihn zu behalten", schlug Uba flehentlich vor.
"Was Aba erzählte, hat sich nie so zugetragen", bedeutete Iza dem Mädchen. "Kein Kind kann draußen in der Kälte ohne Nahrung überleben."
Ayla achtete nicht auf Izas Erklärung. Was Uba vorgeschlagen hatte, ließ einen Funken Hoffnung in ihr glimmen.
"Aber es ist schon so, Iza. Wenn mein Kind nach sieben Tagen noch am Leben ist, dann muß es Brun annehmen."
"Was fällt dir ein, Ayla? Du kannst das Kind doch nicht aussetzen und glauben, dass es nach sieben Tagen noch am Leben ist. Das wird es niemals überleben."
"Ich will es auch nicht aussetzen, sondern mit ihm fortgehen. Ich weiß einen Ort, wo wir uns verbergen können, Iza. Dorthin werde ich gehen und das Kind mitnehmen. Und am Tag der Benamsung kehre ich zurück. Dann muß Brun mir erlauben, es zu behalten. Ich kenne eine kleine Höhle... "
"Nein!" Izas Hand unterbrach sie heftig. "Nichts mehr davon! Das ist gegen das Clan-Gebot. Mein Herz kann dich auf diesem Weg nicht begleiten. Bruns
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