Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
ausgraben, wenn die Zeit kommt, wo die Blätter fallen. Und trocknen darfst du sie nicht. Sonst verliert sie ihre Kraft."
"Wie sieht die Pflanze aus?" wollte Uba wissen. Ihre Wißbegierde war geweckt, weil ihre Mutter so darnieder lag. Und Iza und Ayla unterwiesen sie ab jetzt gemeinsam, was wodurch zu heilen war. Doch Ubas Begreifen war ganz anders als Aylas. Die Kleine brauchte ihrem Hirn nichts Neues einzugeben; sie musste nur an das erinnert werden, was sie schon im Gedächtnis hatte, und sehen, wie es angewendet wurde.
"Es sind zwei Pflanzen, eine männliche und eine weibliche. Das Gewächs hat einen langen Stengel, der aus einem Büschel von Blättern nahe am Boden herauswächst, und oben sitzen kleine Blüten. Die männlichen Blüten sind weiß. Die Wurzel kommt von der weiblichen Pflanze; ihre Blüten sind kleiner und grün."
"Und die Pflanze wächst im Fichtenwald?" fragte Ayla.
"Nur dort, wo es feucht ist. Im Moor, auf feuchten Wiesen und in Bergwäldern."
"Du hättest an dem Tag nicht hinausgehen sollen, Iza. Ich hatte große Angst um... " Mitten in der Bewegung brach Ayla ab und verzog das Gesicht, als eine Wehe ihren Leib zusammendrückte.
Iza beobachtete Ayla unaufhörlich. Sie merkte sich, wie lange der Schmerz jeweils andauerte.
"Es regnete ja nicht, als ich aufbrach", beschwichtigte Iza. "Ich glaubte, es würde warm und sonnig bleiben. Ich habe mich getäuscht. Ayla, ich möchte etwas von dir wissen. Während ich darniederlag, hatte ich oftmals wilde Träume und war nicht bei euch, doch fühlte ich, wie du mir eine Kräuterbinde anlegtest, wie ich es tue, wenn Creb Gliederschmerzen hat."
Die junge Frau nickte.
"Das habe ich dir nämlich nicht gezeigt."
"Ich weiß. Du hast so arg gehustet und so viel Blut gespuckt. Ich wollte deine Brust entkrampfen und auch, dass sich der Schleim dort löst. Das Kräutergemisch dringt tief durch die Haut. Es bringt Wärme hervor und erhitzt das Blut. Ich dachte mir, es würde dich schleimfrei machen und du würdest nicht mehr so heftig husten müssen. Ich glaube, es hat geholfen."
"Ja, das glaube ich auch."
Iza fragte sich, ob sie jemals auf den Gedanken gekommen wäre, eine solche Anwendung zu versuchen. Ich habe es gewußt, sie ist eine gute Medizinfrau, und sie wird besser werden. Sie ist meines Stammes würdig. Ich muß mich mit Creb zusammensetzen. Es wird vielleicht nicht mehr lange dauern, bis ich ins Reich der Toten gehe. Ayla ist jetzt eine Frau. Sie soll Medizinfrau werden - wenn sie dieses Gebären überlebt.
Nach dem Morgenverzehr kam Oga mit Grev, ihrem zweiten Sohn, herbei und hockte sich neben Ayla nieder. Bald danach setzte sich auch Ovra zu ihnen, und die drei Frauen unterhielten sich mit kurzen Worten und regen Gebärden miteinander.
Den ganzen Morgen über war in Crebs Wohnkreis ein lebhaftes Kommen und Gehen. Einige Frauen blieben nur kurz, andere hockten beinahe den ganzen Vormittag bei Ayla. Creb jedoch hielt sich fern. Rastlos humpelte er bald in der Höhle, bald draußen herum, blieb hin und wieder stehen, um einiges Neue den Männern mitzuteilen, die um Bruns Feuer saßen. Die Jagd, die sie für heute vorgehabt hatten, wurde verschoben. Brun gab vor, es wäre noch zu naß; aber alle wussten um den wahren Grund.
Am späten Nachmittag wurde Aylas Weh heftiger. Iza flößte ihr etwas Schmerzlinderndes ein. Während der Tag sich dem Abend zuneigte, folgten die Wehen immer rascher, und die Körperwellen schlugen immer höher. Schweißüberströmt lag Ayla auf ihrem Lager und umklammerte Izas Hand. Sie biß sich auf die Lippen. Doch als die Sonne unterging, wand sich die Gebärende vor Pein und schrie auf bei jeder Schmerzwelle, die ihren Leib packte. Die umsitzenden Frauen hielten sich die Ohren und kehrten nach und nach an ihre eigenen Feuer zurück. Dort suchten sie sich irgendeine Arbeit und blickten doch jedesmal auf, wenn Aylas Schreie durch die Höhle gellten. Die Männer an Bruns Feuer saßen wie leblos, die Blicke zu Boden gesenkt. Nur Ebra und Iza waren bei Ayla.
Und wieder kam das Weh und noch mal, als wollte es sie zerreißen.
Ich darf mein Kind nicht sterben lassen, trieb sich Ayla an. Es muß heraus. Es muß leben. Als der Schmerz wieder anschwoll, holte sie tief Atem und krampfte Izas Hand. Dann preßte sie den unteren Leib, dass flirrender Nebel vor ihren Augen tanzte. Es war ihr, als müßten ihr die Knochen bersten und ihr Inneres würde nach außen gekehrt.
"Gut, Ayla, gut", ermutigte sie Iza und strich der Keuchenden über die
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