Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
sie nicht suchst?" Der Mog-ur legte den Kopf schief und sah seine Schwester an. Und plötzlich fiel ihm ein, wie ungewöhnlich es doch war, dass Iza nicht schon längst da draußen suchte.
"Iza, warum willst du Ayla nicht suchen?" fragte er mißtrauisch.
"Ich könnte sie nicht finden."
"Warum nicht?" beharrte Creb. Bange Angst stand in den Augen der Frau, als sie gestand:
"Sie hält sich versteckt."
"Versteckt? Vor wem?"
"Vor uns allen. Vor Brun, vor dir, vor mir, vor dem ganzen Clan", gab Iza hilflos zurück.Creb starrte sie entgeistert an und hob den Arm, der nicht verstehen wollte.
"Warum hält sich Ayla vor uns allen versteckt? Warum vor dir? Sie braucht dich doch."
"Sie will das Kind behalten, Creb", erklärte ihm Iza, und ihre Augen flehten den Bruder an, mitzufühlen, als sie mit zitternden Händen berichtete. "Ich habe ihr klargemacht, dass der ClanBrauch einer Mutter gebietet, ihr mißgestaltetes Kind wegzuschaffen. Doch sie weigerte sich. Sie will es behalten. Sie wollte es fortbringen und bis zur Benamsung verstecken, weil Brun es dann annehmen muß."
Mit scharfem Blick sah Creb die Frau an. Er wusste, was Aylas Eigenmächtigkeit bedeutete.
"Ja", nickte der Mog- ur, "Brun wird nichts anderes übrigbleiben, als Aylas Sohn anzunehmen, Iza. Aber danach wird er sie für ihren Ungehorsam verfluchen, und diesmal bis ans Ende ihrer Tage. Wenn die Frau den Mann zu etwas zwingt, was er nicht will, aber dennoch muß, dann verliert er sein Gesicht vor allen anderen. Brun kann das nicht dulden, die Männer würden ihn dann nicht mehr achten. Selbst wenn er sie verflucht, wird die Schande auf ihm sitzenbleiben. Du weißt, in diesem Sommer werden alle Clans sich wieder zum Miething zusammenfinden. Glaubst du, dass er sich dann sehen lassen kann? Wir alle, der ganze Clan des Bären, würden für das, was Ayla angerichtet hat, mit Verachtung büßen müssen", zürnte der Zauberer und schlug wütend die Hand durch die Luft. "Wie konnte sie uns das nur antun?"
"Sie handelte nach der Geschichte von der Mutter, die ihr mißgestaltetes Kind in den Gipfel eines Baumes gebunden hat", gab Iza zurück.
"Wie konnte sie sich davon verführen lassen - gegen das Clan-Gebot!" entgegnete Creb verächtlich.
"Das war es nicht allein, Creb. Auch du hast dazu beigetragen."
"Ich?" Der Mog-ur fuhr auf, als hätte ihn ein Skorpion gebissen. "Mit dieser Unbotmäßigkeit habe ich nicht das geringste zu tun!"
"Ich meine nicht, dass du etwas getan hast, Creb. Ich meine, dass du auch so bist. Auch du wurdest mit einer Ungestalt geboren, aber du durftest dein Leben behalten. Und jetzt bist du der Mog-ur."
Was Izas Hände ihm da erklärten, machte den alten Zauberer tief betroffen. Er wusste um das glückliche Geschick, das ihn begünstigt hatte, doch noch vom Clan-Führer angenommen zu werden. Nur Glück hatte dem mächtigsten Magier aller Clans das Leben erhalten. Die Mutter seiner Mutter hatte ihm einst bedeutet, dass es wirklich wundersam gewesen war. Wollte auch Ayla jetzt ein Wunder für ihren Sohn? Doch niemals würde sie Brun zwingen können, ihren Sohn anzunehmen und dabei selbst am Leben zu bleiben; es sei denn, er wünschte es selbst und würde so entscheiden.
"Und du, Iza? Hast du sie nicht gewarnt, dass ihr Tun gegen das Clan-Gebot verstößt?"
"Ich habe sie beschworen, nicht zu gehen. Ich habe ihr angeboten, das Kind wegzuschaffen, wenn sie es nicht selbst tun könnte. Danach hat sie mich nicht einmal mehr in die Nähe des Kleinen gelassen. Ach, Creb, sie hat so viel um ihn gelitten."
"Und da hast du sie einfach gehen lassen, leichtsinnig hoffend, es würde ihr schon nichts geschehen? Warum bist du nicht gleich zu mir gekommen oder zu Brun?"
Iza senkte stumm den Kopf. Creb hatte recht. Sie hätte es ihn wissen lassen sollen. Nun wird auch Ayla sterben, nicht nur ihr Kind.
"Wohin ist sie gegangen, Iza?" Crebs Auge war hart wie Stein.
"Ich weiß es nicht. Sie sprach von einer kleinen Höhle", gab Iza voller Angst zurück.
Hastig wandte sich der Mog- ur ab und humpelte hinüber zum Wohnkreis des Clan-Führers.
Das Schreien des Kindes weckte Ayla schließlich aus ihrem Schlaf. Es war finster in der kleinen Höhle und feucht und kalt ohne Feuer. Blindlings zerwühlte sie den Sammelkorb nach einer frischen Binde, auf dass es ihr wohler würde zwischen den Beinen, und trockenem Pelzwerk für das Kind. Nachdem sie etwas Wasser getrunken hatte, hüllte sie sich fest in ihren Schlafpelz, legte sich wieder nieder und gab ihrem Sohn die
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