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Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären

Titel: Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
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diesen Gedanken zurück. Denn dann würde das Kind auch Broud gehören. Creb hatte recht. Er hat immer recht. Ich habe einen Geist geschluckt, der mit meinem Totem kämpfte und es bezwang. Doch vielleicht war es nicht nur ein Geist; vielleicht waren es die Geister der Totems aller Clan-Männer. Mit einer wilden Bewegung drückte sie das Kind an sich. Du bist mein Sohn, nicht der von Broud. Das Kind, geweckt durch den raschen Ruck, begann zu schreien. Ayla wiegte es sachte hin und her, bis es sich beruhigt hatte und weiterschlief.
Vielleicht wusste mein Schutzgeist, wie groß mein Wunsch nach einem Kind war und ließ sich deshalb bezwingen. Doch wieso hätte mein Totem zulassen sollen, dass ich ein Kind kriege, wenn es wusste, dass es würde sterben müssen? Ein Kind, in dem etwas von mir ist und etwas von den Clan-Leuten, wird eben anders aussehen als sie und ich, aber beiden ähnlich. Sie werden immer sagen, dass mein Kind mißgestaltet ist. Selbst wenn ich einen Gefährten hätte, es würde sich nichts daran ändern. Ich werde es nicht behalten können; es wird sterben müssen. Wir werden beide sterben, du und ich, mein Sohn.
Ayla hielt das Kind an sich gedrückt und wiegte es leise summend in den Armen, während ihr die Tränen über das Gesicht liefen. Was soll ich tun? Verzweifelt blickte sie in der Höhle umher und auf das schlafende Kind in ihren Armen. Wenn ich an deinem Namenstag wiederkehre, mein Kind, dann wird Brun mich verfluchen. Iza läßt mir raten, nicht zum Clan zurückzukehren; aber wohin denn sonst? Zum Jagen bin ich noch nicht kräftig genug; und selbst wenn, was würde ich mit dir solange tun? Mitnehmen könnte ich dich nicht. Du würdest vielleicht schreien und die Tiere warnen. Aber dich allein lassen, wäre niemals möglich. Vielleicht brauche ich gar nicht auf die Jagd zu gehen. Ich kann ja Pflanzen und Kräuter sammeln. Womit aber Umhänge, Schlaffelle und Fußhüllen machen?
Und wo soll ich eine Höhle finden, in der wir leben können. Hier kann ich doch nicht bleiben. Die hier ist zu nahe beim Clan; früher oder später würden die Männer mich finden. Gut, ich könnte fortgehen; aber möglich wäre es, dass keine Höhle zu finden ist und die Männer meine Spur entdecken und mich zurückbringen. Und selbst wenn ich eine fände und genug Nährendes ansammeln könnte, um uns beide über die langen Tage der Kältnis und des Schnees zu helfen, wir wären immer allein. Du brauchst noch andere um dich, mein Kleiner, nicht nur mich. Mit wem willst du spielen? Wer würde dich das Jagen lehren? Und was sollte aus dir werden, wenn mir etwas zustößt? Du wärst allein; so ganz allein, wie ich es war, ehe Iza mich fand.
Aber du sollst nicht allein sein, und ich will es auch nicht. Ich will zur Höhle des Clans. Ayla schluchzte und vergrub ihren Kopf in den Händen. Ich will Uba wiedersehen und Creb. Ich will zu Iza. Aber kann ich zurück? Brun zürnt mir, und er wird mich verfluchen. Ich wusste wirklich nicht, was ich ihm antat, als ich ging. Und wollte doch nur, dass du nicht sterben mußt, mein Kind. Brun war so gut zu mir; er ließ mich jagen. Und wenn er sich nicht gezwungen sähe, dich anzunehmen? Wenn ich ihn anflehte, dich am Leben zu lassen? Und wenn ich jetzt zurückkehrte, dann würde er sein Gesicht wohl nicht verlieren. Noch ist es Zeit; noch fehlen zwei Finger bis zu deinem Namenstag.
Und wenn ich seinen Zorn nicht zu besänftigen vermag? Und wenn er ablehnt? Wenn sie mir dich doch wegnehmen? Dann will ich nicht mehr leben. Wenn du sterben mußt, dann will ich's auch. Wenn ich zurück bin und Brun befiehlt, dich zu töten, dann will ich ihn bitten, mich zu verfluchen. Ich werde mit dir gehen ins Totenreich. Aber vorher laufe ich zu Brun und flehe ihn an, dich mir zu lassen.
Flinkhändig warf Ayla ihre Sachen in den Sammelkorb. Sie hüllte das Kind in das Tragfell und zog den Pelzumhang fest um sich. Sie ging zum Einschlupf und bog die schützenden Zweige auseinander. Als sie ins Freie kam, fiel ihr Blick auf einen grauen Stein zu ihren Füßen, in dem sich glitzernd das Sonnenlicht fing. Sie hob ihn auf und drehte ihn in der Hand, so dass er funkelte. Häufig schon war sie hier aus- und eingekrochen und hatte diesen Stein stets übersehen.
Fest schloß Ayla ihre Hand darum und machte die Augen zu. Kann dies ein Zeichen sein? Ein Zeichen, das mir mein Totem gesandt hat?
"Großer Höhlenlöwe", machte sie. "Habe ich den richtigen Entscheid getroffen? Heißt du mich, jetzt zurückzukehren?

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