Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
Großer Höhlenlöwe, laß dies ein Zeichen sein, dass ich deiner würdig bin und wieder eine Prüfung bestanden habe. Laß dies ein Zeichen sein, damit mein Kind leben wird."
Ihre Finger zitterten, als sie den kleinen Brustbeutel aufknüpfte und den wundersam geformten funkelnden Stein zu dem roten bohnengroßen Elfenbein, der steinernen Seeschnecke und dem Ocker steckte. Dann schritt sie zügig aus und ging zurück zum Clan.
20
Mit wildem Armgeschlenker stürzte Uba in die Höhle. "Mutter! Mutter! Ayla ist wieder da!"
Alles Blut wich aus Izas Gesicht.
"Nein! Das darf doch nicht wahr sein! Hat sie das Kind bei sich? Uba, warst du bei ihr? Hast du ihr meinen Rat überbracht?" fragte die Medizinfrau.
"Ja, ich war bei ihr. Ich habe ihr erklärt, wie zornig Brun ist. Ich habe ihr bedeutet, nicht zurückzukehren", gab das Mädchen zurück.
Iza lief zum Eingang und sah Ayla, die sich zögernden Schrittes Bruns Wohnkreis näherte. Vor ihm ließ sie sich zu Boden fallen und neigte sich schützend über ihr Kind.
"Sie kommt zu früh", bedeutete Brun dem Zauberer, der hastig aus der Höhle gehumpelt kam. "Sie muß sich in der Zahl der Tage geirrt haben."
"Sie hat sich nicht geirrt, Brun. Sie weiß, dass es zu früh ist. Sie ist mit Absicht zu früh zurückgekehrt", entgegnete der Mog ur mit entschiedener Gebärde.
Der Clan-Führer blickte neugierig dem Zauberer ins Gesicht. Wie wollte der Mog-ur mit solcher Sicherheit wissen, dass die junge Frau mit Absicht vor der Zeit zurückgekehrt war? Dann blickte er auf Ayla und schließlich ein wenig unsicher wieder auf den Mog-ur.
"Wird der Zauber, den du über uns gemacht hast, uns auch wirklich beschützen? Sie sollte doch noch abgesondert leben. Die Tage des Frauenfluchs sind noch nicht um. Nach dem Gebären sind es immer mehr als sonst."
"Der Zauber hat große Kraft, Brun. Du bist sehr wohl beschützt. Es ist dir erlaubt, sie zu sehen", erklärte ihm der Zauberer.
Der Clan-Führer richtete den Blick wieder auf Ayla, die zitternd zu seinen Füßen hockte, den Kopf über ihr Kind geneigt. Verfluchen sollte ich sie, schoß es ihm zornig durch den Kopf. Aber noch ist nicht der Namenstag des Kindes. Warum ist sie nur zu früh zurückgekommen? Und auch mit dem Kind? Es muß noch am Leben sein, sonst hätte sie es nicht bei sich. Der Ungehorsam kann nicht ausgelöscht werden; aber warum ist sie vor der Zeit gekommen? Bruns Neugier ließ sich nicht länger unterdrücken. Er tippte Ayla auf die Schulter.
"Ich war ungehorsam", begann Ayla mit verkrampfter Hand, ohne dem Clan-Führer ins Gesicht zu blicken. Sie wusste, sie hätte nicht versuchen dürfen, mit einem Mann zu sprechen, sich vielmehr weiter abgesondert halten müssen. Doch Brun hatte ihr auf die Schulter getippt. "Ich bitte, dass es mir gestattet sei, mich mitzuteilen."
"Es kommt dir eigentlich nicht zu, aber der Mog- ur hat den Schutz der Geister auf uns herabgefleht. Wenn ich es dir gestatte, so werden die Geister es dulden. Ja, du warst ungehorsam. Und womit willst du dich entschuldigen?"
Ayla neigte dankend den Kopf noch tiefer und fuhr fort: "Ich kenne die Bräuche des Clans. Ich hätte das Kind wegschaffen sollen, wie die Medizinfrau es mir befahl. Aber ich bin fortgelaufen. Ich wollte am Namenstag meines Kindes zurückkehren, um den Clan-Führer zu zwingen, es im Clan aufzunehmen."
"Du bist aber vorzeitig zurückgekehrt", gab Brun triumphierend zurück. "Noch ist der Namenstag nicht angebrochen, und ich kann der Medizinfrau befehlen, dir jetzt dein Kind zu nehmen."
Das Gefühl, sein Kopf müsse vor lauter Denken bersten, das er seit dem Tag gehabt hatte, an dem Ayla geflohen war, verschwand, als er dieses bedeutete und ihm mit einemmal die Augen aufgingen. Nur wenn das Kind sieben Tage lang am Leben blieb, zwang ihn das Gebot des Clans, es anzunehmen. Noch war die Frist nicht abgelaufen. Er brauchte das Kind nicht anzunehmen und hatte nicht das Gesicht verloren und Schande über sich und den Clan gebracht.
Aylas Arme schlössen sich einen Augenblick lang fest um das Kind, das in dem Tragfell an ihrer Brust lag, dann hob sie wieder die Hände und begann zu erklären: "Ich weiß, dass der Namenstag erst morgen ist. Ich weiß auch, dass es nicht gut war von mir, den Clan-Führer zwingen zu wollen, das Kind anzunehmen. Es steht einer Frau nicht zu, darüber zu entscheiden, ob ein Kind leben oder sterben soll. Nur der ClanFührer kann diesen Entscheid treffen. Darum bin ich zurückgekehrt." Brun blickte aufmerksam in
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