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Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären

Titel: Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
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Aylas ernstes Gesicht. "Wenn du das Clan-Gebot kennst, warum bist du dann mit einem Kind zurückgekehrt, das mißgestaltet ist? Bist du jetzt bereit, deinen Sohn herzugeben? Oder soll ihn die Medizinfrau für dich töten?"
    Ayla zögerte, tief über ihr Kind gebeugt. "Ich will ihn wegschaffen, wenn der Clan-Führer es befiehlt." Quälend langsam kamen ihre Handzeichen zustande, und ihr war, als würde man wieder und wieder eine Klinge in ihr Herz stoßen. "Ich habe meinem Sohn gelobt, ihn nicht allein im Schattenreich zu lassen. Wenn der Clan-Führer entscheidet, dass mein Kind sterben muß, dann bitte ich ihn, mich zu verfluchen." Ihre Hände ließen alles Ehrerbietige beiseite, als Ayla flehte: "Brun, ich bitte dich, meinen Sohn am Leben zu lassen. Und wenn er sterben muß, will ich auch nicht länger leben."
    Die Inbrunst, mit der Ayla diese Bitte vortrug, verwunderte den Clan-Führer. Er wusste, dass es auch Frauen gab, die ihre Kinder trotz mißlicher Gestalt und Krüppeligkeit behalten wollten; die meisten jedoch entledigten sich ihrer so rasch wie möglich. Ein mißgestaltetes Kind brachte Schande über die Mutter. Es war lebendes Zeugnis ihrer Unfähigkeit, heile Kinder zu gebären, und setzte den Wert der Frau herab. Selbst wenn das Gebrechen oder die Mißgestalt geringfügig war, galt es, das weitere zu bedenken. Brun wusste auch, dass die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind gewaltig war; aber so gewaltig, dass sie eine Frau bewegen konnte, ihrem Kind in die nächste Welt zu folgen, wollte ihm doch nicht in den Sinn.
    "Du willst mit deinem Krüppelkind sterben? Warum?" fragte er Ayla.
    "Mein Sohn ist nicht mißgestaltet und auch kein Krüppel", trotzten Aylas Hände. "Er ist eben anders. So wie ich anders bin. Ich sehe nicht aus wie die Clan-Leute. Und so ist es auch mit meinem Kind. Jedes Kind, das ich haben würde, würde aussehen wie er", machte sie und zeigte auf ihren Sohn. "Sollte mein Totem jemals wieder bezwungen werden, dann würde ich niemals ein Kind haben, das leben darf. Und deshalb will ich auch nicht leben." Brun blickte auf den Mog- ur.
    "Wenn eine Frau den Geist des Totems eines Mannes einnimmt, sollte das Kind dann nicht aussehen wie der Mann?"
"Ja", gab der Zauberer zur Antwort, "so sollte das Kind aussehen. Aber übersieh nicht, Brun, dass auch sie das Totem eines Mannes hat. Darum vielleicht entspann sich so ein harter Kampf. Es kann sein, dass der Höhlenlöwe an dem neuen Leben teilhaben wollte. Es kann sein, dass das, was sie uns bedeutet hat, so abwegig nicht ist. Ich muß noch in mich gehen und mit den Geistern sprechen."
"Aber das Kind ist dennoch mißgestaltet?" hob Brun fragend die Hand.
"So geschieht es oft, wenn das Totem einer Frau nicht klein beigeben will. Das bewirkt ein schwereres Gebären und ein mißgebildetes Kind", gab der Mog- ur zurück. "Mich wundert mehr, dass das Kind männlich ist. Wenn das Totem einer Frau sich widersetzt, wird das Kind gewöhnlich weiblich. Aber wir haben das Kind noch nicht gesehen. Vielleicht sollten wir es uns anschauen."
Brun zauderte. Warum die Frau nicht gleich verfluchen und das Kind wegschaffen lassen? Dass Ayla vorzeitig zurückgekehrt war und bitter bereut hatte, war Balsam für Bruns verletzten Stolz gewesen. Doch noch war der Zorn des ClanFührers nicht beschwichtigt. Wegen dieser Frau hätte er fast das Gesicht verloren; und es war nicht das erstemal, dass er durch sie Schwierigkeiten mit der Überlieferung und mit Broud bekommen hatte. Und was würde sie als nächstes tun? Und das Miething des Groß-Clans stand nahe bevor.
In der letzten Zeit hatte Brun sich häufig vor Augen gehalten, was es wohl ausmachte, wenn sein Clan zum Miething mit einer Frau eintraf, die den anderen geboren war. Und rückblickend fragte er sich, wie es wohl gekommen war, dass er schon so viele unclanmäßige Entscheidungen getroffen hatte. Dann, wenn er sie getroffen hatte, war ihm, dem Clan-Brauch nach, noch alles vertretbar erschienen. Doch insgesamt gesehen sprengten sie die eng abgesteckten Grenzen der Gebräuche des Clans. Ayla war ungehorsam gewesen; sie musste bestraft werden. Und wenn er den unbefristeten Todesfluch über sie verhängte, würde er mit einemmal all seine Sorgen los sein.
Doch der Todesfluch bedrohte auch den Clan. Schon einmal hatte er seine Leute Aylas wegen den bösen Geistern ausgesetzt. Doch ihre vorzeitige Rückkehr aus freien Stücken hatte ihn vor großer Schande bewahrt; Iza mochte wohl recht haben: Ayla hatte vor Schreck

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