Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
Brun nur einen leichten Vorteil eingebracht, als er zum Clan-Führer ernannt worden war. So wichtig all diese Einzelheiten waren, das entscheidende lag in der Eignung des Clan-Obersten zum Führer. Und die Entscheidung wiederum, welcher Clan-Führer der fähigste unter allen war, hing von Verschiedenem ab.
Ein Teil war, wie gut die Männer jedes Clans bei den Wettkämpfen abgeschnitten hatten, denn das zeigte, wie gut ihr Clan-Führer es verstand, sie zu leiten und anzuspornen; ein anderer Teil war, wie eifrig die Frauen bei der Arbeit sich regten, denn darin zeigte sich eines Clan-Führers feste Hand. Den größten Teil aber machte die Gesinnungsstärke eines ClanFührers aus. Brun wusste, dass es diesmal schwer werden würde, die alte Stellung im Groß-Clan zu behaupten. Bereits dadurch, dass er Ayla mitgebracht hatte, hatte er beträchtlich an Boden verloren.
Das Miething bot auch Gelegenheit, alte Bande der Freundschart fester zu knüpfen, mit Verwandten aus anderen Clans zusammenzukommen, Neues und Geschichten auszutauschen, die in der folgenden Zeit manchen trostlosen kalten Winterabend mit Leben und Lachen erfüllen würde. Junge Leute, die im eigenen Clan keinen Gefährten finden konnten, hielten unter den jungen Männern und Frauen der Nachbar-Clans Ausschau. Allerdings wurde ein Paar nur dann zusammengegeben, wenn der jeweilige Clan-Führer, der über den jungen Mann zu bestimmen hatte, mit der Gefährtin einverstanden war. Für eine junge Frau galt es allgemein als Ehre, erwählt zu werden, besonders, wenn sie dadurch in einen ranghöheren Clan kam. Trotz Zougs Empfehlung und trotz des hohen Ansehens, das Izas Sippe genoß, hatte diese nicht daran gedacht, dass Ayla auf dem Miething einen Gefährten finden würde. Dass sie ein Kind hatte, wäre vielleicht von Vorteil gewesen, aber nur wenn ihr Sohn nicht als mißgestaltet abgetan worden wäre.
Und Ayla war weit davon entfernt, an die Suche nach einem Gefährten zu denken. Sie hatte genug damit zu tun, ihren gan zen Mut zusammenzuraffen, um den neugierigen und mißtrauischen Erdlingen gegenüberzutreten, die draußen vor der Höhle auf sie warteten. Sie und Uba hatten die Bündel und Körbe ausgepackt und den Raum etwas eingerichtet. Norgs Gefährtin hatte dafür gesorgt, dass Steine für die Feuerstätten und die Begrenzung der Wohnkreise bereitlagen.
Ayla hatte sich größte Mühe gegeben, ihre Gaben für die Gastgeber so auszulegen, wie Iza ihr gezeigt hatte, und die Feinheit ihrer Arbeit war bereits aufgefallen. Sie wusch sich, kleidete sich frisch und stillte dann ihren Sohn, während Uba ungeduldig wartete. Das Mädchen war ganz versessen darauf, rasch die Umgebung rings um die Höhle zu erkunden und all die fremden Leute kennenzulernen; doch allein wagte sie sich nicht hinaus. "Mach doch schneller, Ayla", drängte sie mit hastiger Hand.
"Alle sind schon draußen. Kannst du dich nicht später um Durc kümmern? Ich will hinaus in die Sonne. Hier ist es so finster."
"Und ich will nicht, dass er gleich zu schreien anfängt. Du weißt doch, wie laut er das tut. Dann glauben die Leute vielleicht, dass ich keine Mutter bin", gab Ayla zurück. "Ich will nichts tun, was mich in ihren Augen noch abstoßender macht. Creb hat mich darauf hingewiesen, dass die Leute hier verwundert sein würden, wenn sie mich sehen. Aber ich ahnte nicht, dass sie zaudern würden, uns überhaupt aufzunehmen."
"Aber sie haben uns aufgenommen, und wenn Creb und Brun sich mit ihnen zusammengesetzt haben, dann werden sie sehen, dass du zum Clan gehörst. Komm, Ayla. Du kannst nicht noch länger in dieser Höhle bleiben. Du mußt ihnen in die Gesichter blicken. Nach einiger Zeit werden sie sic h an dich gewöhnen, genauso wie wir. Ich sehe schon gar nicht mehr, dass du anders aussiehst."
"Ich war da, ehe du geboren wurdest, Uba. Die Leute hier haben mich nie zuvor gesehen. Aber nun gut, gehen wir. Nimm noch einen Happen für den Höhlenbären mit."
Ayla stand auf. Sie drückte Durc an ihre Schulter und tätschelte seinen Rücken, während sie hinausgingen. Sie grüßte Norgs Gefährtin mit achtungsvoller Gebärde, als sie an ihrem Wohnkreis vorbeikamen. Die Frau erwiderte den Gruß und wandte sich dann hastig wieder ihrer Arbeit zu, beschämt, dass sie die junge Frau so lange angestarrt hatte. Ayla holte tief Atem, als sie sich dem Ausgang näherten, und hielt ihren Kopf ein wenig höher. Sie war entschlossen, die Neugier der Leute nicht zu beachten; sie war eine Frau des Clans und
Weitere Kostenlose Bücher