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Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären

Titel: Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
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mächtigen Löwin werden, zur unerschrockenen Jägerin. Doch jetzt sprang es auf den zottig gemähnten Löwen, hob furchtlos seine kleine Tatze und schlug nach dessen mächtiger Schnauze. Bedächtig schob der herrisch Gemahnte das Kleine hinunter und hielt es mit schwerer Pranke; dann leckte er es mit langer, rauer Zunge.
    Und wiederum versuchte Creb, dieses Bild zurückzustellen, von seinem Auge wegzuschieben, bis es wieder Ayla sah, das Mädchen, das aber nicht mehr zur Höhle ging, sondern bei den Löwen spielte.
    Des Mog- urs Körper begann zu zittern, als er das Zeichen erkannte: ein Höhlenlöwe! Das Bild wirbelte wild in seinem Kopf. Plötzlich durchzuckte es ihn jäh und scharf. Das kann doch nicht sein. Keine Frau kann einen so mächtigen Schut zgeist haben. Und mit welchem Mann könnte sie sich je vereinigen?
    Niemand im Clan hatte das Totem des Höhlenlöwen, kaum einer unter den Männern aller Clans hatte es. Und wieder sah er vor sich Ayla, das hochaufgeschossene, magere Kind mit den geraden Armen und Beinen, dem flachen Gesicht unter der hohen gewölbten Stirn; farblos und ausgebleicht, selbst die Augen. Sie wird eine hässliche Frau werden, dachte der Mog- ur. Und überhaupt, wird je ein Mann sie haben wollen? Aber hat je eine Frau mich haben wollen? Vielleicht wird sie auch nie ihr Feuer mit jemandem teilen können. Sie wird den Schutz eines starken Totems brauchen, wenn sie sich alleine durchbringen muss. Aber einen Höhlenlöwen? Tief grub Creb in seinem Kopf nach der Erinnerung, ob es im Groß-Clan jemals eine Frau gegeben hatte, deren Totem ein Höhlenlöwe gewesen war.
    Aber sie gehörte ja nicht zum Clan, und alles deutete darauf hin, dass sie starken Schutz genoss, sonst wäre sie doch längst nicht mehr am Leben; sie wäre von jenem Höhlenlöwen getötet worden. Und dann stand es klar vor seinen Augen, das Bild, wie Ayla mit den Löwen spielt und der alte sie angreift. Angreift? Nicht doch, auf die Probe gestellt, geprüft mit der Macht seiner Pranke! Ein kalter Schauder des Begreifens kroch Crebs Rücken hinauf. Jetzt stand es fest und unerschütterlich in seinem Kopf, das Bild. Nicht einmal Brun kann da misstrauen, dachte er. Der Höhlenlöwe selbst hatte sie mit seinen Krallen gezeichnet, wie bei der Weihe zur Mannbarkeit, wo dem Jüngling, dem der Höhlenlöwe als Schutzgeist gegeben ist, vier nebeneinander liegende Linien in den Oberschenkel geritzt werden.
    Doch Ayla war eine Frau, und das Mal war das gleiche! Creb war verwirrt darüber, dass ihm das nicht früher aufgefallen war. Bestimmt hatte der Löwe gewusst, dass sich die Leute im Clan sehr schwer tun würden, das Totem des Mädchens anzunehmen. Und deshalb hatte er selbst ihm das Zeichen mitgegeben, und zwar so deutlich, dass es niemand als etwas anderes ausgeben konnte, als es war: das Zeichen des Groß-Clans. Ja, der Höhlenlöwe will, dass sie unter uns lebt; er hat ihre Leute genommen, damit sie mit uns leben muss. Aber warum? Eine dumpfe Bedrückung legte sich auf das Herz des Zauberers, das gleiche Gefühl, das er verspürt hatte, als man das Kind fand.
    Der Mog-ur schüttelte sich. Nie zuvor hatte sich ihm ein Schutzgeist mit solcher Klarheit enthüllt. Das, dachte er, war es, was ihm Angst machte. Der Höhlenlöwe ist ihr Totem. Er hat sie auserwählt, so wie der Höhlenbär mich auserwählte. Langsam löste der Zauberer seinen Blick aus den dunklen Au genhöhlen des Bärenschädels, vor dem er lange gehockt hatte. Er war erleichtert und bedrückt zugleich. Warum nur, warum brauchte dieses kleine Mädchen so mächtigen Schutz?

4
    Schwarzbelaubte Bäume wiegten ihre Kronen sachte im kühlenden Abendwind, riesenhafte Schemen tanzender Zauberer vor einem blutroten Himmel. Im Clan-Lager war Ruhe eingekehrt. Der dämmrige Schein glühender Holzkohle half Iza bei der Durchsicht mehrerer kleiner Beutel, die in geordneten Reihen auf ihrem ausgebreiteten Umhang lagen. Hin und wieder warf sie einen Blick in die Richtung, in der Creb davongegangen war. Sie war in Unruhe um ihn, da er allein, ohne Waffen in unbekannten Wäldern weilte. Das Kind schlief schon. Fahrig zupfte sie an der Felldecke. Die Sorge der Frau wuchs, je mehr das Licht des Tages schwand.
    Noch am Mittag hatte sie sich die Pflanzen angesehen, die rings um die Höhle wuchsen. Dort konnten ja welche sein, mit denen ihr Vorrat an Heilkräutern aufgefüllt und erweitert werden konnte. Unentbehrliches trug sie stets in ihrem Otterfellbeutel bei sich, aber das, was die

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