Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
Beste geredet wurde; während des langen kalten Winters vielleicht, wo der Clan die Höhle nicht verlassen konnte, wurde man sich die Geschichte erzählen und sie bei den Zusammenkünften des Groß-Clans weitergeben. Wenn ich nicht gewesen wäre, diese Höhle wäre nie die unsere geworden, dachte er. Und wenn ich den Bison nicht getötet hätte, keine Feier hätte man jetzt abhalten können, sondern müsste noch immer nach einer Höhle suchen.
Ayla verfolgte die ihr unverständlichen Handlungen mit Angst im Herzen, und doch war sie wie gebannt. Sie hatte den Aufschrei nicht unterdrücken können, als dieser schreckliche, unförmige, bärenähnliche Mann Broud die Klinge auf die Brust setzte und ihm die blutige Wunde schlitzte. Nur widerstrebend ließ sie sich nun von Iza zu dem schrecklichen Zauberer ziehen. Auch Aga, die kleine Ona auf dem Arm, und Ika mit Borg näherten sich dem Mog-ur. Ayla war erleichtert, als die beiden Frauen vo r ihr und Iza Aufstellung nahmen.
Mit beiden Händen hielt Goov jetzt einen festgeflochtenen Korb, der mit einem dunkelroten weichen Zeug gefüllt war, gewonnen aus feingestoßenem Ocker, über dem Feuer vermischt mit dem ausgelassenen Fett des Bibers. Über die Köpfe der Frauen hinweg blickte er zum nachtschwarzen Himmel und bat die Geister, sich nahe bei ihm zu versammeln und auf die Kinder zu blicken, deren Totems nun enthüllt werden sollten. Dann tauchte er einen Finger in das rote breiig Weiche und malte auf die Hüfte des kleinen Jungen einen Kringel, der aussah wie der Schwanz eines Wildschweins. Leises, raunendes Gemurmel erhob sich bei den Clan-Leuten, die beifällig kundtaten, dass sie das Totem gut fanden.
"Geist des Keilers, der Junge Borg ist in deinen Schutz gegeben", sagte der Zauberer mit feierlicher Bewegung und zog dem Jungen einen Lederriemen über den Kopf, an dem ein kleiner Beutel hing.
Ika verneigte sich stumm. Das Totem gefiel ihr. Der Geist des Keilers war stark und ehrfurchtgebietend, der richtige Schutz für ihren Sohn. Dann trat sie zurück.
Und wieder rief der Mog-ur die Geister an, tauchte den Finger in den roten Korb, den Goov hielt, und zog auf Onas Arm eine runde Linie.
"Geist der Eule", verkündete seine Hand, "das Mädchen Ona ist in deinen Schutz gegeben."
Dann legte der Mog-ur dem Kind das Amulett um, das seine Mutter gefertigt hatte. Wieder war gedämpftes Gemurmel zu hören, und beredte Hände drückten ihr Erstaunen aus über das starke Totem, welches dem Mädchen beigegeben war. Auch Aga strahlte. Ihre Tochter war wohlbeschützt, und der Mann, dem sie gehören sollte, durfte kein schwaches Totem haben. Insgeheim hoffte sie, es würde der Tochter damit nicht zu schwer gemacht, Kinder zu gebären.
Neugierig reckten die Clan-Leute die Hälse, als Aga zur Seite trat und Iza sich bückte, um Ayla auf die Arme zu nehmen. Das Mädchen hatte keine Angst mehr. Jetzt, wo sie näher war, sah sie, dass die schreckliche Gestalt mit dem rotgefärbten Gesicht kein anderer war als Creb, dessen Auge warm leuchtete, als er Ayla ansah.
Doch dann redete der Zauberer anders als bisher mit den Geistern, die er gerufen hatte. Dieses, was er jetzt entstehen ließ, waren Handlungen, die er vornahm, wenn er einem neugeborenen Kind seinen Namen gab. Also würde diesem fremden Mädchen nicht nur das Totem gedeutet, es würde auch in den Clan aufgenommen werden! Ruhig tauchte der Mog- ur seinen Finger in den roten Korb und zog von der Mitte ihrer Stirn, jener Stelle, wo bei den Clan-Leuten die hervorspringenden Augenbrauenwülste einander trafen, bis zur Spitze ihrer kleinen Nase eine Linie.
"Der Name des Kindes ist Ayla", verkündete er und sprach ihren Namen langsam und sorgfältig aus, damit sowohl die Clan-Leute als auch die Geister ihn verstehen konnten.
Iza drehte sich, um den Leuten ihres Clans in die Gesichter zu sehen. So wenig wie die anderen hatte sie geahnt, dass Ayla in den Clan aufgenommen werden würde. Das muss bedeuten, dass sie meine Tochter ist, mein erstes Kind, schoss ihr durch den Kopf. Nur eine Mutter hält das Kind, wenn es seinen Namen bekommt und als Mitglied des Clans erkannt wird. Sie muss meine Tochter sein. Wer sonst könnte jetzt ihre Mutter werden?
Alle zogen sie nun an Iza vorbei, und jeder nahm das Mädchen auf den Arm und wiederholte mühsam seinen Namen. Dann wandte sich Iza wieder dem Zauberer zu. Er blickte auf und rief die Geister an, noch einmal sich um ihn zu scharen. Die Clan-Leute waren voll gespannter Erwartung. Der
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