Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären
brannte immer noch! Aber gab es auch nur einen, der erkannte, wie tapfer er den Schmerz aushielt?
Alle taten sie, als wäre er Luft. Der junge Jäger hatte seine Wichtigkeit um einiges zu hoch gedacht. Zwar war die Feier der Mannbarkeit nichts Gewöhnliches, aber so etwas Erstaunliches und Unerwartetes wie des Mog-urs Offenbarung über das Findelkind war noch nie da gewesen. Zähneknirschend sah und hörte Broud, wie die Leute sich erinnerten, dass es das Mädchen gewesen war, das sie zu der Höhle geführt hatte; es wollte nicht in seinen Kopf: dieses hässliche Gestell da hatte ihre neue Wohnstatt entdeckt! Aber hatte sie etwa den Bison erlegt? Seine Nacht hatte das werden sollen, ihm allein hätte die Bewunderung und die Ehrfurcht des Clans zu gelten! Doch diese Ayla hatte ihm die Schau gestohlen.
Mit zornfunkelndem Blick starrte er auf das staksige, fremdartige Mädchen, doch als er sah, dass Iza zum Lager am Bach lief, richtete sich sein Augenmerk wieder auf den Mog- ur. Bald, sehr bald würde es ihm erlaubt sein, an den geheimen Handlungen der Männer teilzunehmen. Er wusste nicht, was ihn erwartete; er hatte nie mehr darüber erfahren, als dass er dann zum ersten Mal entdecken würde, was Erinnerungen wirklich waren. Es würde sein letzter Schritt auf dem Weg in die Welt der Männer.
Am Feuer am Bach entledigte sich Iza rasch ihres Umhangs. Sie nahm eine Holzschale und einen roten Beutel mit getrockneten Wurzeln, den sie sich schon vorher zurechtgelegt hatte. Nachdem die Schale mit Wasser gefüllt war, kehrte sie zum großen Feuer zurück, dessen Flammen noch höher aufstiegen, als Grod frisches Holz auflegte.
Als die Medizinfrau wieder vor den Zauberer trat, war sie nackt, nur das Amulett hing ihr um den Hals. Ihr Körper war rot bemalt. Ein großer Kreis betonte die Fülle ihres Leibes. Auch die beiden Brüste waren mit Kreisen umgeben, und zwei Linien, die von den Schultern ausgingen, liefen im Kreuz zu einer Spitze zusammen. Rote Kreise umschlossen das Gesäß. Diese Zeichen, deren Bedeutung nur dem Mog-ur bekannt war, schützten sie vor den Männern und die Männer vor ihr.
Iza stand ganz nah bei dem Mog-ur. Dicht genug, um auf seinem Gesicht die zahllosen Schweißtropfen sehen zu können; so lange stand er schon in seinem schweren Bärenfell in der sengenden Hitze. Auf ein kaum wahrnehmbares Zeichen von ihm hielt sie die Schale hoch und wandte sich dem Clan zu. Es war eine Schale, die, von den Vorahnen übernommen, nun gehütet und nur bei diesen besonderen Anlässen in Gebrauch genommen wurde. Eine Ahnfrau Izas hatte in langer und sorgfältiger Arbeit die Mitte eines Baumstücks ausgehöhlt und das Äußere geformt und dann die Schale mit grobem Sand und einem runden Stein glattgeschmirgelt. Zuletzt hatte sie das Gefäß mit rauen Farnstängeln bearbeitet und ihm dabei seinen schimmernden Glanz gegeben. Innen war die Schale vom vielmaligen Gebrauch mit einer weißlichen Schicht überzogen.
Iza schob sich die getrockneten Wurzeln in den Mund und kaute sie langsam. Sie achtete darauf, keinen Speichel hinunterzuschlucken, während ihre großen Zähne allmählich die zähen Fasern zerbissen. Schließlich spie sie den Wurzelbrei in die Schale mit dem Wasser und rührte die Flüssigkeit um, bis sie milchig wurde. Nur die Medizinfrauen von Izas Blut wussten um das Geheimnis der berauschenden Wirkung dieser Wurzel. Die Pflanze kam recht selten vor, wenn sie auch nicht unbekannt war, doch die frische Wurzel zeigte kaum benebelnde Wirkung. Das Gewächs war getrocknet und mindestens zwei Sommer gelagert worden; zum Trocknen hatte man es mit der Wurzel nach unten aufgehängt und nicht umgekehrt, wie das sonst bei den meisten Kräutern üblich war. Nur einer Medizinfrau kam es zu, den Trank zu bereiten; doch nur Männer durften davon trinken.
Es gab eine alte Geschichte, die gemeinsam mit den geheimen Anweisungen, wie die Wirkstoffe der Pflanze in der Wurzel gesammelt werden sollten, stets von der Mutter an die Tochter weitergegeben wurde. Sie besagte, dass es einmal eine Zeit gegeben hatte, wo die Frauen das berauschende Mittel zu sich nahmen. Die Rituale, die mit ihrem Gebrauch einhergingen, wurden jedoch von den Männern nachgemacht, und den Frauen war es fortan verboten, von dem Trank zu nehmen; doch das Geheimnis der Zubereitung hatten die Männer nicht rauben können. Die Medizinfrauen, die es kannten, hatten es mit keinem außer ihren eigenen Töchtern teilen wollen, und daraus wurde, dass es nun allein jener
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