Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
Roshario.
Ayla schüttelte den Kopf. "Nein. Ich glaube nicht. Aber ich weiß es nicht."
"Glaubst du, daß ich sterben werde, wenn ich das trinke?"
"Wenn ich glaubte, daß du sterben würdest, würde ich es dir nicht geben. Aber es kann sein, daß du ungewöhnliche Träume hast. Manche Leute benutzen es, anders zubereitet, um in die Welt der Geister zu reisen."
"Vielleicht solltest du das Risiko nicht eingehen, Roshario", sagte Dolando. "Ich möchte dich nicht auch noch verlieren."
Sie blickte den Mann liebevoll und zärtlich an. "Die Mutter wird dich oder mich als ersten zu sich rufen. Entweder verlierst du mich, oder ich verliere dich. Es gibt nichts, was wir dagegen tun könnten. Aber wenn sie willens ist, mir noch mehr Zeit mit dir zu vergönnen, Dolando, dann möchte ich diese Zeit nicht in Schmerzen und nutzlos verbringen. Und du hast gehört, was Ayla gesagt hat - es ist unwahrscheinlich, daß ich sterben werde. Selbst wenn sie mir nicht helfen kann und sich danach nichts geändert hat, weiß ich zumindest, daß ich es versucht habe, und das wird mir den Mut geben, weiterzuleben."
Dolando, der neben ihr auf dem Bett saß und ihre gesunde Hand hielt, blickte auf die Frau, mit der er einen so großen Teil seines Lebens verbracht hatte. Er sah die Entschlossenheit in ihren Augen. Schließlich nickte er. Dann schaute er zu Ayla empor.
"Du bist ehrlich gewesen. Und nun muß ich ehrlich sein. Ich werde dir keinen Vorwurf machen, wenn es dir nicht gelingt, ihr zu helfen, aber wenn sie stirbt, mußt du von hier fortgehen.
Ich bin nicht sicher, ob ich es dann fertigbrächte, dir nicht die Schuld zu geben, und ich weiß nicht, was ich dann tun würde. Bedenke das, bevor du anfängst."
Jondalar, der übersetzte, wußte um die Verluste, die Dolando erlitten hatte. Rosharios Sohn, der Sohn seines Herdfeuers und das Kind, dem sein Herz gehörte, getötet, als er gerade zum Mann herangereift war; und Jetamio, das Mädchen, das für Roshario wie eine Tochter gewesen war und auch Dolandos Herz erobert hatte. Nach dem Tod ihrer Mutter hatte sie die Leere gefüllt, die der Tod des ersten Kindes hinterlassen hatte. Ihre Bemühungen, die Lähmung zu überwinden, die so viele dahingerafft hatte, hatten ihren Charakter geprägt, und viele hatten sie liebgewonnen, darunter auch Thonolan. Es war für alle ein schwerer Schlag gewesen, als sie unter den Qualen des Gebarens starb. Er würde es begreifen können, daß Dolando Ayla die Schuld geben würde, wenn Roshario starb, aber er würde ihn töten, bevor er zuließ, daß er Ayla etwas zuleide tat. Er fragte sich, ob Ayla nicht zuviel auf sich nahm.
"Ayla, vielleicht solltest du es dir noch einmal überlegen", sagte er auf Zelandonü.
"Roshario hat starke Schmerzen, Jondalar. Ich muß versuchen, ihr zu helfen, wenn sie es will. Wenn sie bereit ist, das Risiko einzugehen, kann ich nicht davor zurückscheuen. Es gibt immer ein Risiko, aber ich bin nun einmal eine Medizinfrau. Ich kann mich ebensowenig ändern, wie Iza es gekonnt hätte."
Sie blickte herab auf die Frau auf ihrer Lagerstatt. "Wenn du bereit bist, Roshario - ich bin es auch."
16. KAPITEL
Ayla beugte sich über die auf dem Bett liegende Frau, die Schale mit der abkühlenden Flüssigkeit in der Hand. Sie steckte den kleinen Finger hinein, um die Temperatur zu prüfen; dann stellte sie die Schale hin, ließ sich mit gekreuzten Beinen auf
den Boden sinken und saß einen Moment ganz still da.
Ihre Gedanken wanderten zurück zu ihrem Leben beim Clan und insbesondere zu der Ausbildung durch die erfahrene und kenntnisreiche Medizinfrau, die sie aufgezogen hatte. Iza hatte sich mit praktischer Eilfertigkeit um die meisten Alltagskrankheiten und kleineren Verletzungen gekümmert, aber wenn sie vor einem ernsthaften Problem stand - einer besonders schlimmen Jagdverletzung oder einer lebensbedrohenden Krankheit -, dann hatte sie Creb in seiner Eigenschaft als Mog-ur gebeten, höhere Mächte um ihren Beistand anzurufen. Iza war eine Medizinfrau, aber im Clan war Creb der Magier, der heilige Mann, der Zugang hatte zur Welt der Geister.
Bei den Mamutoi und, nach Jondalars Erzählungen zu schließen, offenbar auch bei seinen Leuten wurden die Funktionen von Medizinfrau und Mog-ur nicht unbedingt von zwei Personen ausgeübt. Diejenigen, die heilten, hielten oft auch Zwiesprache mit der Welt der Geister, aber nicht alle, Die Der Mutter Dienten, waren in der Heilkunde gleichermaßen bewandert. Der Mamut vom
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