Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
über den Gipfeln der vor ihm liegenden Berge. Die gewaltige Kette der noch höheren Berge im Westen verlor sich im Dunst.
Unter ihnen, in der tiefen Schlucht, hatte der Große Mutter Fluß seine Richtung gewechselt. Er kam jetzt vom Westen. Als Ayla und Jondalar nach unten blickten und den gewundenen Flußlauf stromaufwärts verfolgten, kam es ihnen vor, als seien auch sie an einem Wendepunkt angelangt.
"Der Gletscher, den wir überqueren müssen, liegt westlich von hier", sagte Jondalar. Seine Stimme schien aus der Ferne zu kommen - wie seine Gedanken. "Aber wir werden der Mutter folgen. Sie biegt nach einer Weile nach Nordwesten ab, dann wieder nach Südwesten, bevor wir sie erreichen. Es ist keiner der ganz großen Gletscher, und bis auf eine höhere Region im Nordosten ist er fast flach, wenn wir ihn einmal erreicht haben. Wie eine große Hochebene aus Eis. Wenn wir ihn überquert haben, wenden wir uns wieder nach Südwesten; aber aufs Ganze gesehen ziehen wir von jetzt an geradewegs nach Westen."
Während er sich seinen Weg durch den Kalkstein und den kristallinen Fels bahnte, wechselte der Fluß, als könnte er sich nicht entscheiden, welche Richtung er einzuschlagen habe, seinen Lauf nach Norden, machte denn eine Biegung nach Süden und danach wieder nach Norden, bis er sich schließlich abermals nach Süden wendete und die Ebene durchfloß.
"Ist das die Mutter?" fragte Ayla. "Ich meine, alles, was wir hier von ihr sehen? Oder nur ein Nebenfluß?"
"Alles, was wir sehen. Sie ist immer noch ein recht großer Fluß,
aber nicht mit dem zu vergleichen, was sie einmal :war", räumte Jondalar ein.
"Dann sind wir die ganze Zeit an ihr entlanggeritten. Das habe ich nicht gewußt. Ich bin daran gewöhnt, den Großen Mutter Fluß soviel voller und mächtiger zu sehen. Ich dachte, wir folgten einem Nebenfluß. Wir haben Zuflüsse überquert, die größer waren", sagte Ayla. Sie empfand so etwas wie Enttäuschung, daß die gewaltige Mutter aller Flüsse nur ein größerer Wasserweg unter anderen geworden war.
"Wir sehen sie von hoch oben. Sie sieht von hier anders aus. Sie hat mehr Kraft, als du denkst", sagte er. "Wir müssen noch einige große Nebenflüsse überqueren, und es gibt Gegenden, in denen sie sich wieder verzweigt; aber sie wird immer kleiner." Jondalar schaute eine Zeitlang s schweigend nach Westen; dann sagte er: "Der Winter hat erst angefangen. Wir sollten mehr als genug Zeit haben, zum Gletscher zu kommen. Wenn nichts Unvorhergesehenes geschieht.
Die Reisenden wandten sich nach Westen und folgten der äußeren Biegung des Flusses. Dann fiel das Hochland jäh nach Westen ab; sie schlugen die Richtung nach Norden ein, die sie über einen weniger steilen Abhang durch verstreut stehendes Unterholz bis zu einem Nebenfluß führte, der sich tief in das Land eingeschnitten hatte. Sie folgten ihm stromaufwärts, bis sie eine Möglichkeit fanden, ihn zu durchqueren. Die andere Seite war hügelig, und sie ritten neben dem Fluß her, bis sie wieder auf die Große Mutter stießen. Danach wandten sie sich abermals nach Westen.
In der weiten Zentralebene waren sie kaum von Wasserwegen behindert worden, aber jetzt befanden sie sich in einem Gebiet, in dem viele Russe von Norden her der Mutter zuströmten. Später am Tag stießen sie auf einen weiteren großen Nebenfluß, und ihre Beine wurden naß, als sie ihn durchquerten. Es war nicht mehr wie im Sommer, als es ihnen nichts ausmachte, naß zu werden. Die Temperatur sank nachts auf den Gefrierpunkt. Die Kälte des eisigen Wassers ging ihnen bis auf die Knochen, und sie entschlossen sie am anderen Ufer
ihr Lager aufzuschlagen und sich am Feuer zu wärmen.
Sie zogen weiter nach Westen. Nachdem sie das hügelige Terrain passiert hatte,
gelangten sie wieder ins Tiefland, in ein sumpfiges Grasland, das jedoch keinerlei Ähnlichkeit mit den Schwemmebenen stromabwärts hatte. Der Boden war sauer und eher moorig als sumpfig, mit Bleichmoos durchsetzt, das stellenweise zu Torf geworden war. Sie entdeckten, daß Torf sich als Brennmaterial eignete, als sie eines Tages unabsichtlich über einer Stelle mit getrocknetem Torf ein Feuer anzündeten. Am nächsten Tag sammelten sie einige Brocken davon auf, um sie für künftige Gelegenheiten zu verwenden.
Als sie einen großen Nebenfluß erreichten, der sich dort, wo er auf die Mutter stieß, zu einem breiten Delta fächerte, entschlossen sie sich, ihm eine kurze Strecke stromaufwärts zu folgen, um eine
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