Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
gleichen Gesichter. Es war das erste Mal, daß ihm gestattet wurde, außerhalb des Pferchs zu arbeiten. Er hatte keine Ahnung, was sie mit ihm vorhatte, aber er hoffte auf eine Gelegenheit, nach jungen, geraden Bäumen Ausschau halten zu können. Sie ins Gehege zu schaffen war ein anderes Problem.
Später am Tag verließ Attaroa ihre Erdhütte, begleitet von zwei ihrer Frauen und S'Armuna. Sie trug - herausfordernd - Jondalars Felljacke. Die Männer hatten Mammutknochen getragen, die von einem anderen Platz herangeschafft worden
waren, und stapelten sie an einer von Attaroa bezeichneten Stelle auf. Sie hatten den ganzen Morgen bis spät in den Nachmittag gearbeitet, ohne etwas zu essen und kaum etwas zu trinken bekommen zu haben. Obgleich er außerhalb des Geheges war, hatte Jondalar nicht nach möglichen Speerschäften ausschauen, geschweige denn darüber nachdenken können, wie man sie zuschneiden und in die Einfriedung schaffen könnte. Er wurde zu scharf bewacht und hatte keine Zeit gehabt, sich auszuruhen. Er war nicht nur enttäuscht; er war müde und hungrig, durstig und zornig.
Er legte ein Ende des Knochens nieder, den er und Ola-mun getragen hatten; dann richtete er sich auf und wandte sich der Frau zu. Als Attaroa sich ihm näherte, bemerkte er, wie groß sie war, größer als viele Männer. Sie hätte sehr attraktiv sein können, dachte er. Was war mit ihr geschehen, daß sie die Männer so haßte?
"Nun, Zelandonii, willst du uns wieder eine Geschichte er-zählen? Ich lasse mich gern unterhalten", übersetzte S'Armuna.
"Ich habe dir keine Geschichte erzählt. Ich habe dir die Wahrheit gesagt", antwortete Jondalar.
"Daß du mit einer Frau gereist bist, die auf dem Rücken von Pferden reitet? Wo ist diese Frau denn? Wenn sie so mächtig ist, wie du sagst, warum ist sie dann nicht gekommen, um dich zurückzufordern?" sagte Attaroa, die Hände auf die Hüften gestemmt.
"Ich weiß nicht, wo sie ist. Ich wünschte, ich wüßte es. Ich fürchte, sie ist mit den Pferden, die ihr gejagt habt, über die Klippe gerissen worden", sagte Jondalar.
"Du lügst, Zelandonii! Meine Jägerinnen haben weder eine Frau auf dem Rücken eines Pferdes gesehen noch die Leiche einer Frau bei den Pferden gefunden. Ich nehme an, du hast gehört, daß auf Diebstahl bei den S'Armunai die Todesstrafe steht. Und jetzt versuchst du dich herauszulügen", sagte Attaroa.
Sie haben keine Leiche gefunden? Jondalar war zutiefst erleichtert, als er S'Armunas Übersetzung hörte. Hoffnung keimte in ihm auf, daß Ayla vielleicht noch am Leben war.
"Warum lächelst du, wenn ich dir sage, daß die Strafe für Diebstahl der Tod ist? Zweifelst du daran, daß ich dich töten lasse?" sagte Attaroa. Sie wies erst auf ihn, dann auf sich selbst, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen.
"Der Tod?" fragte er und erbleichte. Konnte jemand zum Tode verurteilt werden, weil er Pferde gejagt hatte? Er war bei dem Gedanken, daß Ayla noch am Leben sein könnte, so glücklich gewesen, daß er ihre weiteren Worte nicht erfaßt hatte. Als er es tat, stieg wieder der Zorn in ihm hoch.
"Pferde wurden nicht den S'Armunai allein gegeben. Sie sind für alle Erdenkinder da. Wie kannst du die Jagd auf sie als Diebstahl bezeichnen? Selbst wenn ich die Pferde gejagt hätte, hätte ich es nur getan, um mir Nahrung zu verschaffen."
"Ha! Du hast dich selbst in deinem Lügengewebe verstrickt. Du gibst also zu, daß du die Pferde gejagt hast."
"Nein. Ich habe gesagt: >Selbst wenn ich die Pferde gejagt hätte.< Ich habe nicht gesagt, daß ich sie gejagt habe." Er sah die Übersetzerin an. "Sag ihr, S'Armuna, Jondalar von den Zelandonii, Sohn Marthonas, der einstigen Anführerin der Neunten Höhle, lügt nicht."
"Jetzt behauptest du, der Sohn einer Frau zu sein, die Anführerin war? Dieser Zelandonii ist ein ausgemachter Lüg- ner. Erst tischt er uns eine Lüge über eine geheimnisvollen Frau auf, und dann kommt er uns mit einer Anführerin!"
"Ich habe viele Frauen gekannt, die Anführerinnen waren. Du bist nicht die einzige, Attaroa. Viele Mamutoi-Frauen sind Anführerinnen."
"Nein! Sie teilen sich die Führung mit einem Mann."
"Meine Mutter war zehn Jahre lang Anführerin. Sie wurde es, als ihr Gefährte starb; und sie teilte die Führung mit niemandem. Sie wurde von Männern und Frauen gleicher-maßen respektiert und hat die Führung an meinen Bruder Joharran freiwillig übergeben. Die Leute wollten es nicht."
"Gleichermaßen von Männern und Frauen
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