Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
Übungsziele?" "
Attaroa wies auf eine Reihe in den Boden gerammter Pfähle. Er hatte sie schon vorher bemerkt, ohne sich über ihren Zweck im klaren gewesen zu sein. Jetzt sah er, daß an einem von ihnen ein Pferdekadaver an einem dicken hölzernen Pflock hing. Einige Speere ragten aus ihm heraus.
"Die Frauen müssen jeden Tag üben - nicht nur, mit den Speeren zuzustoßen, sondern auch, sie zu werfen. Die besten von ihnen werden meine Jägerinnen. Doch wir konnten schon jagen, bevor wir lernten, Speere zu machen und zu gebrauchen. Nördlich von hier gibt es eine Klippe, nicht weit von dem Platz entfernt, an dem ich aufgewachsen bin. Die Leute dort jagen Pferde mindestens einmal im Jahr die Klippe hinunter. Wir haben gelernt, sie auch so zu jagen. Es ist nicht schwer, sie über eine Klippe zu treiben, wenn man weiß, womit man sie locken kann."
Attaroa sah Epadoa mit unverhohlenem Stolz an. "Epadoa hat herausgefunden, wie scharf Pferde auf Salz sind. Sie hat die Frauen dazu gebracht, die Pferde damit zu ködern. Meine Jägerinnen sind meine Wölfe", sagte Attaroa und ließ ihren Blick über die mit Speeren bewaffneten Frauen schweifen, die sich um sie geschart hatten.
Sie waren offensichtlich glücklich über das Lob, das ihnen zuteil wurde. Jondalar hatte vorher ihrer Kleidung keine große Bedeutung geschenkt; jetzt bemerkte er, daß alle Jägerinnen etwas trugen, das von einem Wolf stammte. Die meisten trugen Kapuzen, die mit Wolfsfell abgesetzt waren, und einen oder mehrere Wolfszähne, die ihnen an einer Schnur um den Hals hingen. Epadoas Kapuze war völlig aus Wolfsfell gefertigt, und der obere Teil bestand aus einem Wolfskopf mit entblößten Fangzähnen.
"Ihre Speere sind ihre Fänge; sie töten im Rudel und schlagen die Beute. Ihre Füße sind Klauen; sie sind auf der Pirsch und jagen den Hirsch. Sie kennen weder Rast noch Ruh,“ sagte Attaroa in einem rhythmischen Singsang, als zitierte sie etwas, das sie schon oft wiederholt hatte. "Epadoa ist ihre Anführerin, Zelandonii. Ich würde nicht versuchen, sie zu überlisten. Sie ist sehr schlau."
"Davon bin ich überzeugt", sagte Jondalar. Er konnte nicht umhin, etwas wie Bewunderung für das zu empfinden, was diese Frauen ohne fremde Hilfe erreicht hatten. "Es scheint mir nur so sinnlos, daß die Männer müßig herumsitzen, obwohl sie auch ihren Beitrag leisten könnten, bei der Jagd, bei der Nahrungsbeschaffung, beim Herstellen von Werkzeugen. Dann brauchten die Frauen nicht die ganze Arbeit zu machen. Ich sage nicht, daß Frauen es nicht können; aber warum sollen sie für die Männer mitarbeiten?"
Attaroa lachte - jenes wahnsinnige Lachen, das ihn erschauem ließ. "Das habe ich mich auch gefragt. Frauen sind es, die neues Leben hervorbringen. Wozu brauchen wir Männer? Einige der Frauen wollen nicht auf die Männer verzichten. Aber wozu sind sie gut? Für die Wonnen? Es sind die Männer, die Wonne empfinden. Wir haben Besseres zu tun, als den Männern Wonne zu bereiten. Statt mit einem Mann ein Herdfeuer zu teilen, habe ich Frauen um mich versammelt. Sie teilen sich die Arbeit; sie helfen einander; sie versorgen ihre Kinder; sie ver-stehen einander. Wenn es keine Männer gibt, wird die Mutter die Geister der Frauen miteinander vermischen. Und dann werden nur noch Mädchen geboren.
Hatte sie recht? Jondalar bezweifelte es. S'Amodun hatte gesagt, daß in den letzten Jahren nur noch wenige Kinder geboren worden waren. Plötzlich dachte er an Aylas Vorstellung, daß die Wonnen, die Männer und Frauen mitein-ander teilten, neues Leben in einer Frau entstehen ließen. Attaroa hatte die Männer von den Frauen getrennt. War das der Grund, weshalb es so wenige Kinder gab?
"Wie viele Kinder sind denn geboren worden?" fragte er "Nicht viele, aber einige. Und wo einige sind, können mehr kommen."
"Sind alle Mädchen?"
"Die Männer sind noch zu nahe. Es verwirrt die Mutter! Bald werden alle Männer verschwunden sein. Dann werden wir sehen, wie viele Jungen noch geboren werden", sagte Attaroa.
"Oder wie viele Kinder überhaupt", sagte Jondalar. "Die Große Erdmutter hat sowohl Frauen wie auch Männer geschaffen, und
wie sie gebären die Frauen männliche und weibliche Kinder. Aber es ist die Große Mutter, die entscheidet, welcher Geist eines Mannes sich mit dem einer Frau vermischt. Glaubst du wirklich, daß du ändern kannst, was sie bestimmt hat?"
"Belehre mich nicht darüber, was die Mutter bestimmt hat! Du bist keine Frau, Zelandonii", sagte sie. "Du
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