Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
Jondalar bemerkte, daß man ihm im Lager anders be-gegnete; es behagte ihm nicht besonders.
An diesem ersten Tag gab es für die beiden Heilkundigen und die zahlreichen Helfer aus dem Lager so viel zu tun, daß Ayla die besondere Behandlung, die sie an den Jungen mit den Verrenkungen ausprobieren wollte, aufschob. S'Armuna hatte sogar das Begräbnis Attaroas verlegt. Am nächsten Morgen hob man das Grab aus, und eine schlichte Zeremonie, geleitet von Ihr, Die Der Mutter Diente, gab die Anführerin der Großen Erdmutter zurück.
Epadoa war überrascht, daß sie so etwas wie Trauer verspürte, und versuchte es vor dem Lager zu verbergen. Auch Doban kämpfte mit seinen Gefühlen. Attaroa war die einzige Mutter gewesen, die er in seinem Leben gekannt hatte, auch wenn er sich auf ihre Liebe nie verlassen konnte und von ihr verraten wurde.
Kummer braucht Ablenkung. Das wußte Ayla aus eigener Erfahrung. Und so beschloß sie, mit der geplanten Behandlung nicht länger zu warten, auch wenn der Zeitpunkt vielleicht nicht der passendste war. Vielleicht würden sie beide dadurch auf andere Gedanken kommen. Auf dem Rückweg zum Lager ging sie auf Epadoa zu.
"Ich will versuchen, Dobans Bein einzurenken. Wirst du mir helfen?
"Tut das nicht sehr weh?" fragte Epadoa. Sie erinnerte sich immer noch an seine Schmerzensschreie und begann, sich als seine Beschützerin zu fühlen. Er war, wenn auch nicht ihr Sohn, so doch ihr Schützling, ihr anvertraut, und das nahm sie ernst. Ihr Leben hing davon ab.
"Ich werde ihn einschläfern. Er wird nichts spüren, nur etwas Schmerzen, wenn er aufwacht, und eine Zeitlang wird er nicht gehen können."
"Ich werde ihn tragen", sagte Epadoa.
Als sie zu der großen Erdhütte zurückkehrten, erklärte Ayla dem Jungen, daß sie sein Bein wieder gerade machen wollte. Nervös wich er vor ihr zurück, und als er Epadoa in die Hütte kommen sah, stand Angst in seinen Augen. "Nein! Sie wird mir wehtun!" schrie Doban beim Anblick der Wolfsfrau.
Epadoa stand an seinem Lager. "Ich werde dir nicht wehtun. Nie mehr", sagte sie. "Und kein anderer wird dir je wieder Schmerz zufügen, auch diese Frau nicht."
Er sah sie zweifelnd an und wünschte sich nichts mehr, als ihr zu glauben.
"Bitte, S'Armuna, sorge dafür, daß er versteht, was ich ihm sage", sagte Ayla. Dann beugte sie sich nieder und sah ihm in die angstvollen Augen.
"Doban, ich gebe dir hier etwas zu trinken. Es schmeckt nicht gut, aber es wird dich sehr müde machen. Während du schläfst, werde ich versuchen, dein Bein so gerade zu machen, wie es früher war. Du wirst nichts spüren, weil du schläfst. Wenn du aufwachst, wirst du leichte Schmerzen haben, dich aber vielleicht auch schon besser fühlen. Wenn es zu sehr schmerzt, sag es mir, S'Armuna oder Epadoa - eine von uns wird immer bei dir sein -, und wir geben dir etwas, das die Schmerzen lindert. Verstehst du mich?"
Doban sah Epadoa an. "Und du sorgst dafür, daß sie mir nicht wehtut?"
"Ich verspreche es."
Er sah zu S'Armuna, dann wieder zu Ayla. "Gebt mir, was mich schlafen läßt", sagte er.
Der Saft entspannte seine Muskeln und schläferte ihn ein. Es erforderte schiere physische Kraft, das Bein einzurenken, doch dann glitt es wieder ins Gelenk. Jeder konnte es sehen. Etwas war gebrochen, bemerkte Ayla, ganz in Ordnung würde es nie mehr werden, aber sein Körper sah fast wieder normal aus.
Epadoa ging in die große Erdhütte zurück, die nun die meisten
Männer und Jungen mit ihren Verwandten beherbergte, und rührte sich fast nicht mehr von Dobans Seite. Ayla sah, wie zwischen ihnen langsam und zögernd Vertrauen entstand. Sicherlich hatte S'Amodun das vorausgesehen.
Sie ließen auch Odevan die gleiche Behandlung zuteil werden, obwohl Ayla voraussah, daß der Heilungsprozeß bei ihm schwieriger sein würde; sein Bein würde leichter aus dem Ge-lenk springen und öfter wieder eingerenkt werden müssen.
Beeindruckt und ein wenig ehrfürchtig fragte sich S'Armuna im stillen, ob an den Gerüchten nicht etwas Wahres wäre. Ayla wirkte nicht anders als eine gewöhnliche Frau, sie sprach, schlief und teilte die Wonnen mit dem großen, schönen Mann, wie jede andere auch, doch ihre Kenntnis der Pflanzen, die auf der Erde wuchsen, und ihre Kraft zu heilen waren verblüffend. Jeder sprach darüber; S'Armunas Ansehen wuchs durch den Umgang mit ihr. Die ältere Frau fürchtete zwar den Wolf nicht mehr, doch wenn man das Tier mit Ayla zusammen erlebte, mußte man glauben, daß sie
Weitere Kostenlose Bücher