Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
hatte oft in den kalten Gewässern von Russen, Strömen und Teichen gebadet, selbst wenn sie eine dünne Eisschicht aufbrechen mußte; sie hatte sich auch mit erwärmtem Wasser gewaschen, doch nie zuvor war sie in heißes Wasser gestiegen.
Obwohl Losaduna sie langsam in das Becken führte, damit sie sich an die Hitze gewöhnen konnten, brauchte Ayla viel Zeit, bis sie die Steinbänke erreichte. Doch als sie immer tiefer eintauchte, fühlte sie sich von einer beruhigenden Wärme durchdrungen. Als sie sich setzte und das Wasser ihr bis zum Kinn ging, entspannte sie sich. Es war nicht so schlimm, wenn
man sich einmal an die Hitze gewöhnt hatte. Es tat sogar gut.
Als sie nun dasaßen, forderte Losaduna Ayla auf, die Luft an-zuhalten und unterzutauchen. Als sie wieder hochkam, gebot er Madenia, dasselbe zu tun. Dann tauchte er selbst unter und führte sie aus dem Becken hinaus.
Aus dem abgeteilten Vorraum holte er eine hölzerne Schale, in der sich etwas befand, das wie ein dichter, blaßgelber Schaum aussah. Losaduna stellte die Schale auf einem glattgepflasterten Platz nieder und rieb seinen Körper mit dem Schaum ein. Dann forderte er Ayla auf, mit Madenia und sich selbst das gleiche zu tun und die Haare nicht zu vergessen, während er einen Sing-sang ohne Worte anstimmte.
Als der schaumige Stoff aufgebraucht war, füllte er die Schale mit Wasser aus dem Becken und spülte sich, Madenia und Ayla damit ab. Das Wasser versickerte zwischen den Ritzen der Pflastersteine. Dann führte der Eine, Der Der Mutter Diente, sie zu dem heißen Teich zurück und sang wieder eine monotone Melodie ohne Worte.
Als sie wieder in dem mineralreichen Wasser saßen, fühlte sich Ayla ganz entspannt und gelöst. Das heiße Becken erinnerte sie an die Schwitzbäder der Mamutoi, war aber vielleicht noch etwas besser. Endlich meinte Losaduna, es sei nun genug; er langte in die Tiefe des Beckens hinunter und zog den hölzernen Stöpsel heraus. Als das Wasser durch den Abflußgraben gurgelte, begann er so laut zu rufen, daß sie einen Moment lang erschraken.
"Weicht, böse Geister! Reinigende Fluten der Mutter, spült hinweg alle Spuren der Berührung Charolis und seiner Männer! Unreinheit, fließe mit dem Wasser ab! Wenn dieses Wasser ausgelaufen ist, wird Madenia gereinigt sein. Die Macht der Mutter hat sie wieder so gemacht, wie sie früher war!" Sie verließen das Becken, als es leer war.
Nackt, wie sie waren, führte Losaduna sie nach draußen. Sie waren vom heißen Wasser so erhitzt, daß der kalte Wind und der gefrorene Boden unter ihren Füßen erfrischend wirkte. Die wenigen Leute, die draußen waren, beachteten sie nicht oder wandten sich ab, als sie vorübergingen. Plötzlich stieg in Ayla
die Erinnerung an eine Zeit auf, als Menschen schon einmal durch sie hindurchgeblickt hatten. Doch dies war etwas anderes, als vom Clan verflucht zu sein. Diese Menschen taten nur so, als sähen sie sie nicht, und zwar aus Höflichkeit, nicht wegen eines Fluchs. Auf ihrem Weg kühlten sie rasch ab und waren heilfroh, sich in der Geborgenheit des Zere-monienraumes in weiche, trockene Tücher hüllen zu können und Pfefferminztee zu trinken.
Ayla betrachtete ihre Hände, die den Becher umschlossen. Sie waren makellos sauber. Als sie ihre Haare mit einem Knochenkamm entwirrte, knisterten sie, wenn sie sie durch die Finger gleiten ließ.
"Was war das für ein weicher Schaum?" fragte sie. "Er reinigt wie Seifenwurzel, aber noch viel gründlicher."
"Solandia stellt ihn her", sagte Losaduna. "Irgendwie aus Holz, Asche und Fett, aber da mußt du sie selbst fragen."
Als sie fertig war, kämmte Ayla auch Madenia die Haare. "Was tut ihr, damit das Wasser so heiß wird?"
Der Mann lächelte. "Das ist ein Geschenk der Mutter an die Losadunai. In dieser Gegend gibt es mehrere heiße Quellen, mehr oder weniger heilige.
Diese hier ist wahrscheinlich diejenige, aus der alle anderen kommen, und daher die heiligste. Deshalb genießt auch diese Höhle besonderes Ansehen. Jedem fällt es schwer, hier wegzuziehen; doch unsere Höhle wird allmählich so überfüllt, daß eine Gruppe junger Leute plant, eine neue zu gründen. Flußabwärts, auf der gegenüberliegenden Seite, gibt es einen Platz, der ihnen gefallen würde; doch da ist Flachschädelland, und deshalb wissen sie noch nicht, was sie tun werden."
Ayla nickte. Sie fühlte sich so warm und entspannt, daß sie sich gar nicht bewegen wollte. Sie bemerkte auch, daß Madenia gelöster war, nicht
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